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wird hier noch auf lange Zeit hinaus das durch Lokalverordnung
auszufüllende Plangett treten.
Soweit als irgend tunlich wird es sich jedoch auch hier em-
pfehlen, insbesondere wo es sich um Schutz von Leib und Leben
handelt, in der Norm nicht auf die partikularrechtlichen An-
schauungen der Eingeborenen einzugehen, sondern nur den Gou-
verneuren die Befugnis zu verleihen, im Strafausmass unter den
gesetzlichen Rahmen zu gehen. Insbesondere möchte ich eine
ausdrückliche gesetzliche Privilegierung der Häuptlinge in straf-
rechtlicher Beziehung für äusserst bedenklich erachten; wenn wir
dahin streben, dieselben mit der Zeit zu brauchbaren Unter-
organen der Verwaltung und Rechtsprechung heranzuziehen, so
müssen sie von Anfang an daran gewöhnt werden, unter dem
allgemeinen Gesetz zu stehen. Wo die bestehenden Verhältnisse
eine Rücksichtnahme erfordern, da ist es jedenfalls weit weniger
bedenklich, ein, oder sogar beide Augen zuzudrücken, als die
Handlung ausdrücklich für erlaubt zu erklären®®. Dieses Sicher-
heitsventil, die Verfolgung aller Straftaten nach dem Opportuni-
tätsprinzip, wird freilich noch auf lange Zeit hinaus dem kolo-
nialen Richter nicht entzogen werden können.
Ist ihm dieses Mittel an die Hand gegeben, wird ferner das
künftige koloniale Strafrecht so abgefasst, dass es überall, wo
die lokalen Rechtsgewohnheiten Berücksichtigung erheischen,
Raum für die lokale Verordnung lässt und in hinlänglich weiten
Strafrahmen die Möglichkeit gewährt, auf die verschiedenen
Kulturstufen der Bevölkerung Rücksicht zu nehmen, gelingt es
endlich, für die Vorschriften des Gesetzes eine Fassung zu finden,
so klar, so knapp und einfach, dass nicht nur jeder Beamte das
Gesetz leicht anwenden kann, sondern dasselbe auch, in die
Sprache der Eingeborenen übersetzt, deren Verständnis adäquat
ist, — gelingt es, alle diese Voraussetzungen in einer Kodifikation
® Vgl. Anm, 33,