Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunzehnter Band. (19)

8 — 
wird hier noch auf lange Zeit hinaus das durch Lokalverordnung 
auszufüllende Plangett treten. 
Soweit als irgend tunlich wird es sich jedoch auch hier em- 
pfehlen, insbesondere wo es sich um Schutz von Leib und Leben 
handelt, in der Norm nicht auf die partikularrechtlichen An- 
schauungen der Eingeborenen einzugehen, sondern nur den Gou- 
verneuren die Befugnis zu verleihen, im Strafausmass unter den 
gesetzlichen Rahmen zu gehen. Insbesondere möchte ich eine 
ausdrückliche gesetzliche Privilegierung der Häuptlinge in straf- 
rechtlicher Beziehung für äusserst bedenklich erachten; wenn wir 
dahin streben, dieselben mit der Zeit zu brauchbaren Unter- 
organen der Verwaltung und Rechtsprechung heranzuziehen, so 
müssen sie von Anfang an daran gewöhnt werden, unter dem 
allgemeinen Gesetz zu stehen. Wo die bestehenden Verhältnisse 
eine Rücksichtnahme erfordern, da ist es jedenfalls weit weniger 
bedenklich, ein, oder sogar beide Augen zuzudrücken, als die 
Handlung ausdrücklich für erlaubt zu erklären®®. Dieses Sicher- 
heitsventil, die Verfolgung aller Straftaten nach dem Opportuni- 
tätsprinzip, wird freilich noch auf lange Zeit hinaus dem kolo- 
nialen Richter nicht entzogen werden können. 
Ist ihm dieses Mittel an die Hand gegeben, wird ferner das 
künftige koloniale Strafrecht so abgefasst, dass es überall, wo 
die lokalen Rechtsgewohnheiten Berücksichtigung erheischen, 
Raum für die lokale Verordnung lässt und in hinlänglich weiten 
Strafrahmen die Möglichkeit gewährt, auf die verschiedenen 
Kulturstufen der Bevölkerung Rücksicht zu nehmen, gelingt es 
endlich, für die Vorschriften des Gesetzes eine Fassung zu finden, 
so klar, so knapp und einfach, dass nicht nur jeder Beamte das 
Gesetz leicht anwenden kann, sondern dasselbe auch, in die 
Sprache der Eingeborenen übersetzt, deren Verständnis adäquat 
ist, — gelingt es, alle diese Voraussetzungen in einer Kodifikation 
  
® Vgl. Anm, 33,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.