Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achtzehnter Band. (18)

— 24 —- 
kation und dieser Gegensatz und seine geschichtliche Evolution bilden den 
wesentlichen und wertvollen Inhalt der Monographie. Der Gegensatz be- 
trifft die Publikationsmittel. Wenn dieselben geeignet sind, die Masse der 
Bevölkerung direkt von dem Inhalte des Gesetzes in Kenntnis zu setzen, 
z. B. öffentlicher Anschlag oder öffentliches Verlesen des Gesetzes in den 
einzelnen Gemeinden, so nennt dies der Verf. materielle Publikation; wenn 
dagegen die Rechtsordnung sich damit begnügt, dass sie einen bestimmten 
formellen Akt vollzieht, der für eine direkte Verbreitung der Gesetzeskenntnis 
nicht sonderlich geeignet zu sein braucht, durch den aber die Rechts- 
vermutung der Notorietät des Gesetzes begründet wird, so bezeichnet er dies 
als formelle Publikation. Der Verf. verkennt nicht, dass dieser Gegensatz 
kein vollkommener ist. Auch bei der materiellen Publikationsmethode be- 
steht keine Sicherheit, ja nicht einmal Wahrscheinlichkeit, dass das Gesetz 
allen einzelnen wirklich bekannt ist, und diese Sicherheit wird mit der Zeit 
immer geringer, wenn nicht periodische Wiederholungen der Bekanntmach- 
ungen stattfinden, was regelmässig nicht der Fall ist. Auch bei der An- 
wendung materieller Publikationsmittel ist daher die Kundbarkeit des Ge- 
setzes eine durch einen Rechtssatz begründete Fiktion. Andererseits wird 
auch bei dem formellen Publikationsprinzip ein Verkündigungsmittel an- 
gewendet, welches die thatsächliche Bekanntschaft mit dem Gesetz ermög- 
licht und in gewissem Umfange auch bewirkt. In allen Fällen ohne Unkter- 
schied ist es daher ein — gesetzlicher oder gewohnheitsmässiger — Rechtssatz, 
welcher bestimmt, durch welche Thatsachen ein Gesetz als verkündet gilt. 
Das rechtliche Wesen der Gesetzesverkündigung ist daher auch in allen 
Fällen das gleiche ohne Unterschied, welche Verkündigungsmittel angewendet 
werden. Dessenungeachtet besteht ein juristisch erheblicher Gegensatz; 
indem der Gesetzgeber bei dem materiellen Publikationsprinzip grundsätzlich 
davon ausgeht, dass der Gesetzesbefehl nur denjenigen bindet, dem er be- 
kannt gemacht ist, bei dem formellen Publikationsprinzip dagegen die Geltung 
des Gesetzes von der thatsächlichen Kenntnis desselben unabhängig macht. 
Der Verf. zeigt nun den Zusammenhang der Publikationsmittel mit den all- 
gemeinen politischen Grundprinzipien der Verfassung und den sozialen Ver- 
hältnissen und er giebt eine sehr eingehende und anschauliche Darstellung, 
wie im Laufe der geschichtlichen Entwicklung das materielle Publikations- 
prinzip allmählich durch das formelle überwunden wurde und wie nament- 
lich in Deutschland und Oesterreich das letztere seine konsequente Durch- 
führung gefunden hat. Nachdem er mit dem römischen und kanonischen 
Recht begonnen und die Entwicklung in Deutschland von der fränkischen 
Zeit bis zum Ende des 18. Jahrhunderts beleuchtet hat, giebt er eine licht- 
volle und interessante Darstellung der französischen Publikationsmethode, 
insbesondere der Gesetzgebung der Revolution, welche dem formellen Prinzip 
zum Siege verholfen hat, wenngleich seine Durchführung eine mangelhafte 
ist. Daran schliesst sich dann eine eingehende Erörterung der Rezeption