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So ist aus dem dieser Bestimmung zu Grunde liegenden
Prinzip zu entnehmen, dass das Gericht, wenn die Entscheidung
von der Feststellung einer Verwaltungsbehörde abhängt — und
was von dieser gilt, wird man entsprechend auf die Entscheidungen
des Heroldsamts wenigstens analog anzuwenden haben, — nur
aussetzen kann; es steht in seinem Belieben; es kann aber
auch selbständig sich über die Präjudizialfrage schlüssig machen
und das Resultat für seine Entscheidung verwerten. Es gibt
Entscheidungen, welche kraft positiver gesetzlicher Vorschrift für
die Gerichte unbedingt bindend sind. So heisst es in $ 135 des
Gewerbeunfallversicherungsgesetzes vom 5. Juli 1900: Für das
über einen solchen Anspruch (auf Ersatz des infolge eines Un-
falls erlittenen Schadens) erkennende ordentliche Gericht ist die
Entscheidung bindend, welche in dem durch dieses Gesetz ge-
ordneten Verfahren über die Frage ergeht, ob ein Unfall vor-
liegt, für welchen aus der Unfallversicherung Entschädigung zu
leisten ist, und in welchem Umfange Entschädigung zu gewähren
ist; und entsprechende Bestimmungen finden sich in & 146 des
Unfallversicherungsgesetzes für die Land- und Forstwirtschaft,
& 45 des Bauunfallversicherungsgesetzes, & 133 des Seeunfall-
versicherungsgesetzes vom 5. Juli 1900; und doch kann, solange
eine solche Entscheidung nicht ergangen ist, das Gericht trotz
dieser Bindung selbständig darüber entscheiden. Zwar wird es
sich empfehlen, dass das Gericht in allen Fällen, wo sich Zweifel
darüber ergeben, in welchem Betriebe der Unfall sich ereignet
hat und ob dieser Betrieb versicherungspflichtig ist, die Verhand-
lung aussetzt; aber das Gericht hat keine Pflicht? zur Aus-
setzung des Verfahrens, bis eine rechtskräftige Entscheidung
dieser Instanzen gefallen ist und ist auch dann, wenn in der
Sache keine Zweifel bestehen, zur Aussetzung nicht veranlasst.
Wenn dies von Entscheidungen gilt, welche kraft positiver ge-
——
20 Vgl. Entsch. d. RG. jur. Woch. 1906 S. 687”.