Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 24 (24)

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ten auf dem Gebiete des Strafprozesses !; wann beginnt diese? 
Kein ernstlicher Zweifel besteht, dass der Angeklagte, der das 
12. Lebensjahr vollendet hat, die Rechte der Verteidigung, über- 
haupt die prozessualischen Rechte des Angeklagten selbständig 
ausüben kann. Wie aber, wenn einmal versehentlich gegen einen 
noch nicht Zwölfjährigen Anklage erhoben und das Hauptrver- 
fahren eröffnet worden ist? Der Fall ist tatsächlich bereits vor- 
gekommen, wie eine Entscheidung des Reichsgerichts in Straf- 
sachen vom 20. IX. 1888 (Bd. 18 8. 116 ff.) beweist, und kann 
sich infolge von Schreib- oder Rechenfehlern, oder auch, weil 
das Alter des Angeklagten nicht zu ermitteln ist (z. B. bei Zi- 
geunern etc.), auch gar wohl wiederholen. Man könnte nun dann 
vielleicht sagen: wer noch nicht zwölf Jahre alt ist, kann nach 
dem RStGB. 8 55 strafrechtlich nicht verfolgt werden; wird er 
irrtümlich doch zum Gegenstand eines Strafprozesses gemacht, 
so ist er nur Objekt des Prozesses, so lange, bis sein richtiges 
Alter festgestellt ist. Aber ich persönlich möchte doch glauben, 
dass auch in solchem Falle dem einmal Angeklagten formell 
auch die Rechte eines jeden Angeklagten zugebilligt werden 
müssen; und namentlich möchte ich auch glauben, dass. auch 
einem wegen jugendlichen Alters noch nicht Deliktsfähigen die 
Anklage oder der Beschluss über die Eröffnung des Hauptver- 
falırens mit Wirksamkeit zugestellt werden kann; allerdings führt 
das konsequent zu dem eigenartigen Resultat, dass die prozessuale 
Geschäftsfähigkeit des Angeklagten im Strafprozess überhaupt 
nicht an eine allgemeine bestimmte Altersstufe gebunden er- 
scheint. 
Doch auch wenn wir hier noch an dem 12. Lebensjahr als 
\srenze festhalten ®%, — es gibt zweifellos Fälle, in welchen uns 
5! Mit diesem Spezialproblem hat sich allerdings die Literatur bereits 
eingehender befasst, vgl. z. B. BIRKMEYER, Lehrb. des Strafproz. S. 297, 
BELING in der Holtzendorff-Kohlerschen Enzyklopädie 8 17 II und III, 
v. LILIENTTHAL in Birkmeyers Enzyklopädie 8. 1259 u. a. 
®® Und ich gebe zu, dass gewichtige Gründe dafür sprechen. 
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