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sische Philosophie der Antike, die Stoa, diesen Gedanken in der Theorie
weiter ausbaut, nimmt Caesars Monarchie den Weltstaatsgedanken Ale-
xanders praktisch wieder auf. „Der Römerstaat der Kaiserzeit wird sozu-
sagen offiziell mit dem Erdkreis gleichgestellt und innerhalb dieses Welt-
staats ist das Weltbürgertum aus einer Tatsache zu einem Rechtssatze er-
hoben“ (8. 546).
Das weströmische Reich geht daran zu Grunde, dass seine hierarchische,
zentralistische Gestaltung dem Bedürfnisse der Entwicklung von Sonder-
organisationen innerhalb der Gesamtorganisation nicht entspricht. Das
Mittelalter steht vor der Aufgabe, unter grundsätzlicher Wahrung der Ein-
heit der Kulturwelt eine Form des Weltstaats auszubilden, die den neu-
eintretenden germanischen Stämmen die Möglichkeit einer solchen Sonder-
entwicklung bietet. Zunächst wird das Erbe der römischen Kultur und
des Gedankens der Weltherrschaft von der Kirche und vom Papsttum über-
nommen. Da dieses der Anlehnung an eine äussere weltstaatliche Macht
bedarf, gebiert es den Gedanken des Kaisertums. Karl der Grosse sucht
die Sehnsucht des Augustinus nach der im Weltreich zu verwirklichenden
terrena pax zu erfüllen und nach antikem Vorbild einen Menschheitsstaat zu
schaffen. Sein Reich fällt wiederum auseinander infolge der Reaktion des
germanischen Staatsgedankens gegen den antiken. Erst das Kaiserreich
der Ottonen baut sich auf der natürlichen Grundlage freier, nur zu ein-
zelnen bestimmten Gesamt-Zwecken beschränkter Genossenschaften auf,
verbindet die deutschen Stämme zu einer nationalen Einheit und schafft
durch die weite Erstreckung seiner Herrschaft zum Segen der Mensch-
heit für einen grossen Teil Europas eine internationale Organisation.
Gleichwohl vermag das Mittelalter die Aufgabe, „die römische Weltherr-
schaft in einem Weltreich mit deutscher Spitze fortzusetzen“ auf die Dauer
nicht zu lösen. Unter den Staufern kommt die Kaiseridee infolge ihrer
Ueberspannung zum Scheitern. Aber in der Publizistik, namentlich bei DAnTE
und THOMAS Von AQUIno, lebt der Gedanke, dass die Erreichung der Mensch-
heitsziele im Kulturstaate von der überstaatlichen Organisation abhängig
ist, noch das ganze Mittelalter hindurch fort.
Das ausgehende Mittelalter gibt neuen Gedankenrichtungen Raum. Vor
allem nennt hier SCHÜCKING einen, den Juristen bisher kaum bekannten
Namen, Prrrr Dupoıs, über dessen staats- und völkerrechtliche Ideen
demnächst eine Dissertation ERnsT HEINRICH MFRYERSs, eines Schülers ScH.s,
näher berichten wird. Das etwa im Jahre 1306 entstandene Werk DuBo1s
„de recuperatione terre Sancte“ ist nach ScH.s Ueberzeugung das älteste
Dokument zur Geschichte der modernen Friedensbewegung. Dass es
von ganz hervorragendem Interesse ist, ist ohne Zweifel. Spricht D.
doch bereits von der Begründung eines internationalen Staatenbunds und
von der Einsetzung eines ständigen internationalen europäischen Schieds-
gerichtshofs! Ein anderes, der völkerrechtlichen Literatur bisher unbe-