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kanntes, ausserordentlich interessantes Organisationsprojekt, mit welchem
ScH. sich unter Hinweis aufeine Arbeit seines Schülers SCHWITZKY näher be-
schäftigt, ist dasjenige des Königs von Böhmen, GEORG VON PODEBRAD.
Verzichtet Duso1s auf das DAnTE’sche Ideal einer Universalmonarchie, und
setzt an deren Stelle einen Staatenbund mit einem vom Papste zu berufenden
Konzil zur Erledigung gemeinsamer Angelegenheiten, so emanzipiert sich
PODEBRADS Entwurf sowohl vom Kaisertum als auch vom Papsttum. Beide
Projekte waren zu jener Zeit unausführbar. Unter Karl V. scheint es eine
Weile, als sollte der Traum DAanTks von einer internationalen Organisation
der Christenheit unter monarchischer Spitze doch noch in Erfüllung gehen
(3. 569), dann aber geht mit der Glaubensspaltung die Idee der Zusammen-
gehörigkeit der abendländischen Kultur für Jahrhunderte verloren.
Und nun beginnt jenes „Zeitalter der Desorganisation® mit seinen
kulturverwüstenden Kriegen, welches das mittelalterliche Ideal der terrena
pax in sein Gegenteil verkehrt und den Krieg zu einem Glied der gött-
lichen Weltordnung stempelt. In der Zeit des Ringens der Habsburger
mit den Bourbonen wird die den Tendenzen der Universalmonarchie
direkt zuwiderlaufende Idee des europäischen Gleichgewichts geboren. Der
Gedanke an eine auf dem Boden des Nebeneinander Stehende internationale
Staatenorganisation scheidet aus der Welt der Tatsachen aus, um nur noch
in der Welt der Theoretiker fortzuleben. Campanella, der Landgraf Ernst II.
von Hessen-Rheinfels. lEmerice Cruc6, Frangois Savary de Breves, Sully,
Irene Castel Saint Pierre, Alberoni, Christian Wolff und Kant sind die
Männer, in deren Werken der Gedanke des Kosmopolitismus lebendig bleibt.
während draussen die bittere Notwendigkeit des Kriegs das Ideal des Welt-
friedens in weite, weite Fernen zu rücken scheint.
Und doch hat die Zeit seit dem Wiener Kongress eine Annäherung
der Völker gebracht, wie sie vordem niemals geahnt wurde! Mit dem
Untergang des alten deutschen Kaisertums, mit dem Schwinden der Aus-
sichten des Papsttums auf eine politische Weltherrschaft, mit der Befrie-
digung der nationalen Bedürfnisse in den Hauptstaaten Europas sind eine
Reihe von Hindernissen einer internationalen Organisation der Kulturstaaten
beseitigt. Und eine „Flutwelle von Internationalismus“ hat sich nach einem
von Sch. zitierten Worte Roosevelts seit den letzten Jahrzehnten über
unsere Welt ergossen! Die Gemeinschaft der internationalen Interessen
hat zur Schaffung einer grossen Zahl internationaler Behörden geführt,
deren Tätigkeit sich auf die ganze Welt erstreckt (vgl. das neu erschienene
sehr lesenswerte Buch von A. H. Frırp „Das internationale Leben der Gegen-
wart“). Das europäische Organisationsproblem hat sich zum Problem der
Weltorganisation entwickelt, dessen Lösung ScH. in dem „Ausbau eines
internationalen Staatenbundes“ sieht. Die erste Bedingung eines solchen
Weltstaatenbundes erblickt der Verf. in der Einrichtung periodisch zu-
sammentretender Konferenzen der 46 Kulturstaaten: „Sein Ziel wäre die