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Demgegenüber wird schon vom Abgeordneten Schweitzer
Sten. Ber. des Reichst. 1869 S. 170, betont, dass in Zeiten all-
gemeiner Krisen schuldlos Not eintreten könne, die zur In-
anspruchnahme öffentlicher Armenunterstützung zwinge. Wenn
weiter wirklich die Strafe das gesetzgeberische Motiv der Ent-
ziehung des Wahlrechts wäre, so müsste das Gesetz zwischen
verschuldeter und unverschuldeter Inanspruchnahme von Armen-
unterstützung scheiden, denn nach allgemeinen Regeln ist die
Voraussetzung der Strafe eine Schuld. Das Gesetz hat aber
richtigerweise diese Unterscheidung zwischen Schuld und Nicht-
schuld nicht getroffen, konnte sie auch nicht treffen, ohne ein
besonderes Verfahren zu konstruieren, das den Zweck hätte, zu
unterscheiden, ob im einzelnen Falle die Inanspruchnahme, ver-
schuldet ist oder nicht.
Vgl. AscuroTT Armenpfl. 26. 8.42 und 28 S. 127, GEORG
MEYER-JELLINEK, Das parlamentarische Wahlrecht Berlin 1901
(cit. MEYER-JELLINERK) S. 458.
Es soll nun dabei nicht verkannt werden, und diese Beob-
achtung wird in der öffentlichen Armenpflege sehr häufig ge-
macht, dass die drohende Entziehung des Wahlrechts den Wahl-
berechtigten eher veranlasst, zu hungern, als sich oder die Seinen
unterstützen zu lassen, m. a. W., dass die Bestimmung bei man-
chen, insbesondere politisch reiferen Menschen zuweilen sogar in
ungesunder Weise als Abschreckungsmittel wirkt. Das ist aber
kein Argument dafür, dies als den gesetzgeberischen Grund der
Entziehung des Wahlrechts anzusehen; es lässt nur den Schluss
darauf zu, dass man in armenpolizeilicher Hinsicht diesen Zweck
wohl verwerten kann.
Ansprechender ist die insbesondere von ASCHROTT a. a. 0.
26, S. 42 und von MEYER-JELLINEK S. 458 vertretene Ansicht,
die Entziehung des Wahlrechts erfolge deshalb, weil der Unter-
stützte seine Selbständigkeit verliere, in eine tatsächliche Ab-
hängigkeit gerate, wodurch bei ihm jede Garantie für eine un-