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beeinflusste Ausübung des Wahlrechts schwinde, eine Ansicht,
die bereits von Kant vertreten wird und auch im franz. Wahl-
gesetze zum Nationalkonvent vom 11. August 1772 seinen Nie-
derschlag gefunden hat. Gegen die Richtigkeit dieser Theorie
sprechen aber auch erhebliche Bedenken. Einmal ist nicht ein-
zusehen, weshalb z. B. öffentliche Gratifikationen und Beloh-
nungen weniger den Wähler beeinflussen und abhängig machen,
als eine Unterstützung, weshalb Angestellte weniger unselbstän-
dig und unabhängig sind als die Unterstützten (so auch JASsT-
ROW Armenpfl. 28 133). Gegen diese Ansicht spricht auch, dass
eine Abhängigkeit in der Regel nur bei ständiger Armen-
unterstützung einzutreten pflegt, das Gesetz aber einen Unterschied
zwischen ständiger und einmaliger Unterstützung nicht macht.
Weiter kann aber auch gegen die genannte Theorie die Ent-
wicklungsgeschichte des Gesetzes herangezogen werden. Im Ent-
wurfe des Reichsgesetzes über die Wahlen der Abgeordneten
zum Volkshause, Stenograph. Berichte über die Verhandlungen
der deutschen konstituierenden Nationalversammlung zu Frankfurt
a. M. Bd. VII S. 5218 (cit. Nat. Vers.), hatte der $ 2, nachdem
im $ 1 gesagt war, dass jeder selbständige unbescholtene
Deutsche, der das 25. Lebensjahr zurückgelegt habe, Wähler
sein sollte, folgenden Wortlaut:
Als nicht selbständig, also von der Berechtigung zum Wäh-
len ausgeschlossen sollen angesehen werden;
2. Personen, welche eine Armenunterstützung aus öffent-
lichen Mitteln beziehen oder im letzten der Wahl vorangegan-
genen Jahre bezogen haben.
Der Entwurf hat sodann ferner als nicht „selbständig“ von
der Wahlberechtigung ausgeschlossen, Dienstboten, Handwerks-
gehilfen, Fabrikarbeiter, Taglöhner, bevormundete und fallite
Personen. In dem diesem Entwurf beigegebenen Bericht, Nat.-
Vers. VII S. 5222, wird dementsprechend ausgeführt, dass das
politische Wahlrecht nicht der Person unmittelbar anhafte, sodass