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zahlreich vorkam, dass Kirchspielsgemeinden die weltlichen Ge-
meinden auf Erfüllung der Baupflicht verklagten; auch hieraus
folgt die selbständige juristische Persönlichkeit. der Kirchspiele.
Die Judikatur der badischen Zivil- und Verwaltungs-
gerichte steht mit überwältigender Mehrheit auf dem Standpunkt,
dass die Kirchspiele als selbständige Rechtspersonen auch vor
dem OKStG. mit juristischer Persönlichkeit ausgestattet waren (vgl.
die in Rechtspraxis 1904 S. 193 angeführte Rechtssprechung, ins-
besondere Urteil des Grossherzoglichen Oberlandesgerichts in Sachen
des katholischen Oberstiftungsrats in Karlsruhe gegen den Gross-
herzoglichen Fiskus wegen Baupflicht und Vertragserfüllung vom
Jahre 1891. Auch die in gleicher Sache ergangene Entschei-
dung des RG. vom 20. Oktober 1891 unterstellt die Rechtsper-
sönlichkeit derkatholischen, altkatholischen, evangelischen Kirchen-
gemeinde). Vgl. endlich noch den Plenarbeschluss des Oberhof-
gerichts vom 7. Dezember 1844 No. 5302.
Das badische KG. spricht sich über die Rechtspersönlichkeit
der Kirchengemeinden nicht aus; es begnügt sich damit, anzu-
erkennen, dass, „selbst wenn ein Eigentumsrecht der Gemeinden
in Bezug auf kirchliches Vermögen nicht begründet ist, doch
seitens der berechtigten Gemeinden ein unmittelbares rechtliches
Interesse besteht, vermöge dessen ihnen die Befugnis eingeräumt
werden muss, bei der Verwaltung und Verwendung des ihrem
kirchlichen Wohle gewidmeten Vermögens vertreten zu sein“ ",
Während sonach die Trägerschaft der Vollpersönlichkeit
bezüglich der katholischen und evangelischen Kirchen-
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®° Annalen bad. Gerichte 1844 S. 380: Dadurch (nämlich durch die der
weltl. Gemeinde nach dem Kirchenbauedikt obliegende Baulastverpflichtung
und die dementsprechende Legitimation der weltl. Gemeinde zur Führung
von k. Baulastprozessen gegenüber dem Bauherrn) wird aber dem Kirch-
spiel als solchem, nämlich der k. Gemeinde, das Recht nicht entzogen,
auch selbständig als eine von der pol. Gemeinde verschiedene, eigene ju-
ristische Persönlichkeit aufzutreten.
%ı Begründung zum K.G.Prot. II. K. 4. Beil. Heft S. 457.