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ist die Frage zu lösen, wer Eigentümer des Kirchengutes ist,
um diesen Punkt dreht sich die Kontroverse. Die herrschende
Ansicht geht dahin, dass die Frage nach dem Eigentümer des
Kirchenguts eine rein privatrechtliche ist, nicht eine kanonisti-
sche35. Eine vermittelnde Anschauung geht dahin, dass zwar
die Frage, ob die Kirche in einem bestimmten Lande vermögens-
fähig ist, als privatrechtliche, die Frage aber, wer Träger des
Eigentums im konkretem Falle ist, als kanonistische angesehen
werden muss®®. Diese Vermittlungstheorie hat jedenfalls den
Nachteil einer unbegründeten Inkonsequenz. Die herrschende
Theorie muss als richtig angesehen werden. Das gesamte Ver-
mögensrecht, Besitz und Eigentum, gehören nach heutigem Recht
dem Gebiete des Privatrechts an. Nur das Privatrecht kann da-
ber auch den äusseren Rechtsgrund der kirchlichen Privatrechts-
fähigkeit abgeben. Die grosse Bedeutung der Kirche auf dem
Gebiete des Privatrechts im Mittelalter, die Tatsache, dass die
kirchlichen Rechtssätze über Kirchengut als Teile des gemeinen
römischen Rechts galten, machen es begreiflich, dass auch heute
noch von kirchlicher Seite?” das kanonische Recht als ausschlag-
gebend erklärt wird. Allein das Recht ist eine notwendige Folge
der sich ändernden sozialen und politischen Zustände, die Rechts-
ordnung ist das eigenste und nächste Gebiet des Staates’®.
Was hier bezüglich des Rechtsgrunds der kirchlichen Privatrechts-
fähigkeit gesagt wurde, gilt in gleicher Weise auch bezüglich
des äusseren Rechtsgrundes der öffentlichen Rechtspersönlichkeit.
.—— - ——
35 So vor allem MEURER, Hl.S., HÜBLER: Der Eigentüm. des Kirchen-
guts, Leipzig 1868, WARNKÖNIG, THUDICHUM, HINSCHIUS, v. SYBEL. STUTZ,
Das preuss. allg. LR. und der Eigentümer des Kirchenguts, Festschrift für
HÜBLER, Berlin 1905 S. 169 f.
3 ScHuLTeE 1.P., RICHTER, Lehrbuch d. kath. und evang. Kirchenrechts,
Leipzig 1886 S. 1268 ff.
#? 7. B. LEHMKUAL $8.J. Kirchenr., Stimmen aus Maria Laach VII. 515
cit. nach MEURER hl. S. 9.
# Vgl. Ständeverhandl. d. I. K. 1859/60 Prot. S. 136/137.
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