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bischof als Inhaber und Träger der Kirchengewalt und als
höchster inländischer Repräsentant derselben zur Vertretung
der Kirche auch in vermögensrechtlichen Prozessen befugt ist.
Diese Befugnis wurzelt nichtin dem Oberaufsichtsrecht, das denı
Erzbischof hinsichtlich der kirchlichen Vermögensverwaltung
zusteht, sondern in seiner kirchenrechtlichen und vom Staate
anerkannten Stellung'5. In der Anerkennung der Kirchen
als autonomer Rechtspersonen liegt auch die Anerkennung der
kirchenrechtlichen Organisation derselben.
Für die Vertretung des Kirchenvermögens sind im übrigen
die zum Vollzug des Gesetzes vom 9. Oktober 1860 ergangene
landesherrliche Verordnung vom 20. November 1861 die Ver-
waltung des katholischen Kirchenvermögens betr. SS 4 und 8
und die Verordnung vom 25. Februar 1862, die Verwaltung des
evangelischen Kirchenvermögens betr. 83 5 und 8 massgebend®,
Auch hier gestalten sich die Verhältnisse bezüglich des
örtlichen katholischen Kirchenvermögens am
schwierigsten. Die Frage, wer das örtliche katholische Ver-
mögen in Baden zu vertreten habe, ist eine der bestrittensten.
Es werden im ganzen drei Hauptanschauungen vertreten: 1. all-
gemein und grundsätzlich ist zur Vertretung der Stiftungsrat
berechtigt, 2. sowohl der Stiftungsrat als der Öberstiftungsrat
und endlich 3. nur der Oberstiftungsrat ist vertretungsberechtigt.
Innerhalb dieser dritten Ansicht gehen die Meinungen
wieder auseinander bei der Frage, ob der Oberstiftungsrat zu
seiner gerichtlichen Legitimation die Zustimmung des Stiftungs-
rates nachweisen muss. Die richtige Entscheidung der Streit-
frage geht dahin, dass der Oberstiftungsrat allgemein und prin-
. 155 Anders Rechtspraxis 1903 8. 125 ff. Gleicher Ansicht Urteil der
I. Civilkammer des Gr. Landgerichts Freiburg v. 21. Dez. 1901. Vgl. oben
Anmerkung 106.
156 BETZINGER, Die bad. Landesgesetze und Verordnungen zur Ausfüh-
rung und Ergänzung der CPO. Tübingen und Leipzig 1902.