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setzlichen Schutz bestimmter „Freiheiten“: Freiheit des Eigen-
tums, persönliche Freiheit, Religionsfreiheit, Gewerbefreiheit,
Rede- und Versammlungsfreiheit, Pressfreiheit. In diesen Frei-
heiten sieht noch heute das französische Staatsrecht die Grenzen
der Polizeigewalt. Unser Staatsrecht kennt auch diese Freiheiten
und trotzdem sucht es die Grenzen der Polizeigewalt nicht in
ihnen, sondern in der beschränkten Delegation der Polizeigewalt.
Es entsteht hier die Frage: ist das nur ein Unterschied der
Auffassung, oder ist es ein Unterschied des Rechts. Ist es nur
ein Unterschied der Auffassung, so erhebt sich die weitere Frage:
welche Auffassung ist staatsrechlich richtiger? Die Antwort
wird sich aus einer näheren Betrachtung des französischen Rechts
ergeben.
82.
I. Die „Freiheiten“ und die Polizeigewalt.
Die Bedeutung der „Freiheiten“ im System des französischen
Verwaltungsrechtes beruht ganz auf dem Gedanken der natür-
lichen Freiheit des Menschen. Die französische Staatsrechts-
wissenschaft geht aus von der Tatsache, dass die Vorstellung von
der natürlichen Freiheit ganz unzertrennlich in der gesamten
Denkweise und dem Rechtsempfinden des modernen Menschen
wurzelt. Nicht als ob sie die alte Lehre des Naturrechts auf-
rechterhielte von den freien und isoliert lebenden Naturmen-
schen, die feierlich durch Vertrag einen Staat gründen und in
diesem Vertrag sich einen Rest ihrer früheren Freiheit zurück-
behalten: Sans doute on ne se figure pas l’homme & l’6tat isole,
’homme naturel c’est ’homme vivant en groupes. Mais la raison
se refuse & considerer comme des phönomöänes naturels les lois
et les röglements qui limitent l’usage des facultes humaines.
Lois et röglements sont choses artificielles et supposent un certain
degre de civilisation. Cette affirmation, qui a la valeur d’un