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2. Die Geisteskranken stehen ebenfalls nicht unter dem
Schutze der persönlichen Freiheit: das Gesetz vom 30. Juni 1838
gibt der Verwaltung das Recht, von Amts wegen jede an Wahn-
sinn erkrankte Person in eine Irrenanstalt zu internieren. Die
einzige, schwache Garantie gegen Missbrauch dieser Befugnis der
Polizeigewalt besteht in der Pflicht zur Mitteilung an den
Staatsanwalt.
3. geht der Schutz der persönlichen Freiheit verloren durch
Verurteilung wegen gewisser Verbrechen und der danach erfolgten
Stellung unter Polizeiaufsicht (surveillance de la haute police)
und Unterbringung in einem Arbeitshause (depöts de mendicite).
4. bilden die Prostituierten eine Klasse, der gegenüber zahl-
reiche Beschränkungen für zulässig erachtet werden, die sonst
als Verletzung der persönlichen Freiheit ungesetzlich wären.
Nach der französischen Jurisprudenz erscheinen die Prostituierten
im Hinblick auf die persönliche Freiheit vollständig rechtlos, sie
sind une classe pour laquelle la liberte individuelle n’existe pas,
sie stehen en dehors du droit commun??, Bis vor nicht allzulanger
Zeit fand man dies ganz natürlich, und noch OÖ. MAYER konstatierte
1886 einfach eine „stillschweigende Ermächtigung der bürgerlichen
Gesellschaft“, der von keiner Seite widersprochen werde. Das
hat sich heute sehr geändert. Die Gesellschaft ermächtigt nicht
mehr stillschweigend, sondern sie protestiert mit lauter Stimme.
Angeregt durch die Agitation der ligue abolitioniste sieht die
öffentliche Meinung heute in der polizeilichen Behandlung der
Prostituierten eine krasse Ungerechtigkeit und Ungesetzlichkeit.
In der Tat entbehrt die Ausschaltung des gemeinen Rechts gegen-
über den Prostituierten jeder gesetzlichen Grundlage; Ver-
ordnungen aus vorkonstitutioneller Zeit zur Stütze der polizei-
lichen Praxis heranzuziehen ist nicht angängig, denn es ist nach-
gewiesen, dass diese in der Revolution aufgehoben sind!®. Es
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'"5 BATBIE Il 346.
18 Die bei SasarıEr Histoire de la legislation sur les femmes publi-