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Was unter sürete und salubrite publique zu verstehen ist,
ist ohne weiteres klar. Schwierigkeit bietet jedoch der so be-
deutungsvolle Begriff des bon ordre public, der übrigens der
weitere Begriff ist und jene beiden andern Begriffe schon in sich
umfasst. Der Begriff des bon ordre public, der öffentlichen Ord-
nung enthält das eigentliche Wesen der Polizei, und was dies
ist, lässt sich aus dem Wort allein nicht ohne weiteres bestim-
men, sondern nur aus der historischen Entwicklung des Polizei-
rechts. Wenn z. B. nach preussischem Recht die Polizei die
öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten hat, so lässt sich aus
dem Wortlaut dieser Bestimmung allein durchaus noch nicht er-
sehen, warum die Polizeigewalt nicht die Zahlung der Steuern
überwachen soll; warum gehört das Steuerwesen nicht zur öffent-
lichen Ordnung im Sinne des Potlizeirechts? Mit dem Wortbe-
griff der „Ordnung“ ist für das Polizeirecht gar nichts gewonnen,
denn hier hat das Wort seine ganz besondere Bedeutung, so
zwar, dass sich die Begriffe Ordnung und Polizei fast vollstän-
dig decken. Ursprünglich werden die beiden Worte sogar immer
gemeinsam gebraucht: Ordnung und gute Polizei, bonne ordre
et police (prudens ordinatio) *. Man verstand eben unter dem,
dem Aristoteles entlehnten, Begriffe nichts anderes, als die äussere
Ordnung, den geregelten Gang des bürgerlichen Lebens. Daher
nannte man Völker, die in einem geordneten Staate lebten, „Ppo-
lite Völker“, &tats polices, im Gegensatz zur impolice der mangel-
haft oder gar nicht staatlich organisierten Völker”. Dieser Be-
deutung der Begriffe „Ordnung und Polizei“ entspricht es, dass
die „Polizei“ im technischen Sinne der modernen Staatslehre zu-
erst begründet wurde zur Wahrung des Minimums aller bürger-
”* Reichsabschied von Augsburg 1520 $ 71, vgl. auch die Reichspoli-
zeiordnungen;; Edit politique de 1568, Genf vgl. ROUSSEAU, 8e lettre de la
montagne (Oeuvres de J. J. RouUSssEAU, Nouvelle edition, Amst. 1772).
75 ROUSSEAU a. a. O. 8.239; CHRIST. v. WOLFF, Vernünftige Gedanken
von dem gesellschaftlichen Leben der Menschen, 1725, 8 211.