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Die Ausschliessung der Religion von den Zwecken der Poli-
zei ist die einzig mögliche logische Konsequenz aus den in der
allgemeinen Ermächtigungsklausel der Polizei zum Ausdruck
kommenden Grundsätzen des modernen Staatsrechts, jenen Grund-
sätzen, die den Gegensatz zwischen dem modernen Kulturrechts-
staat und dem eudämonistischen Polizeistaat des 18. Jahrhun-
derts bestimmen. Die Identifizierung der staatlichen und kirch-
lichen Ordnung war ein wesentliches Moment des Polizeistaats
und der eudämonistischen Staatsidee, die mit der Beschränkung
der Polizeigewalt auf den sog. Ordnungszweck beseitigt werden
sollten, in Frankreich durch das Gesetz vom 16.—24. August
1790, in Preussen durch das Allg. Landrecht (8 10. II. 17.).
Daher ist denn auch an sich die Ausschliessung der Religiosität
von den Polizeizwecken eine unabweisbare Konsequenz aus der
allgemeinen Bedeutung des $ 10. II. 17 ALR. für die Grenzen
der Polizeigewalt.e Diese Konsequenz lag um so näher als die
prinzipielle Trennung und Gegenüberstellung des kirchlichen und
des polizeilichen Regiments von jeher einen elementaren Grund-
satz des preussischen Staatsrechtes bildete '”*. Trotzdem wurde
sie in Preussen des 19. Jahrhunderts nicht gezogen. In Preussen
wird noch im 19. und 20. Jahrhundert in polizeistaatlicher Weise
staatliche und kirchliche Ordnung identifiziert, und darin zeigt
sich nur wieder das dem preussischen Staate innewohnende, schon
von BLUNTSCHLI erwähnte, theokratische Moment. Die Ver-
quickung staatlicher und kirchlicher Interessen, die ja auch ihren
Schatten auf das Reichsstrafrecht geworfen hat, ist für das preus-
sische Staatsrecht sanktioniert in art. 23 Ziff. 1 des Gesetzes
vom 3. Juni 1876 und $ 2 Ziff. 6 der Instruktion für die Ober-
präsidenten vom 31. Dezember 1825 mit S 4 der Dienstinstruk-
tion für die Konsistorien vom 23. Oktober 181712”. Nach diesen
126 Vgl, FOERSTEMANN, Prinzipien des preussischen Polizeirechts 1869
Ss. 1 ff.
27 Gesetzsammlung 1876 S. 130, 1817 S. 237.