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Gesetzesvorschriften erscheint — wenigstens in Beziehung auf
die katholische und protestantische Kirche — die äussere kirch-
liche Ordnung als ein Teil der staatlichen Ordnung; ihre Auf-
rechterhaltung gehört daher, ebenso wie die jener, zum Amte der
Polizei!?®, Dies ist ein Rechtszustand, der im Widerspruch nicht
nur zu dem Prinzip des Allg. Landrechts, sondern auch zu dem
ganzen modernen Rechtsempfinden steht. Nur der Mässigung
unserer Behörden ist es zu verdanken, dass dieser Widerspruch,
z. B. auf dem Gebiete der Theaterzensur, nicht stärker empfun-
den wird.
4. Ebensowenig wie die religiöse ist aber auch jede andere
Gesinnung als solche in ihrer Betätigung Gegenstand der Poli-
zei. Und wie in Preussen das Oberverwaltungsgericht eine poli-
zeiliche Verfügung reprobiert hat, durch die das Aufhängen von
Bildern polnischer Nationalhelden verboten war, so hat in Frank-
reich der Kassationshof für ungesetzlich erklärt das Gebot des
Flaggens an nationalen Feiertagen. Auch hier ist es nur wie-
der der Zweck, der die Grenzen der Polizeigewalt bestimmt. Das
Gebot des Flaggens an nationalen Festen ist nur deshalb unge-
setzlich, weil es nicht polizeiliche Zwecke verfolgt; Anordnungen
in Verfolgung rein polizeilicher Zwecke können natürlich genau
so gut bei Gelegenheit nationaler Feste ergehen wie bei jeder
anderen Gelegenheit: so wird der Fuhrverkehr nach Longehamps
anlässlich der Parade an der föte nationale mit derselben Be-
rechtigung polizeilich geregelt, wie anlässlich der Rennen. Sehr
klar tritt die alleinige Bedeutung des Zweckes auch bei folgen-
den Entscheidungen hervor: ungesetzlich ist die Anordnung von
Illuminationen aus Gründen patriotischer Feiern, gesetzlich die-
selbe Anordnung aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und
Ordnung bei denselben Gelegenheiten ; ungesetzlich das Gebot an
128 Vgl. auch die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts bes. Erk.
v. 3. Dezember 1887, XVI, 390 £.