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der Gleichheit hat die Bedeutung, dass alle Bürger von den poli-
zeilichen Beschränkungen in gleichem Masse getroffen werden
sollen. Dieser Grundsatz hat jedoch ebensowenig unbedingte
(reltung gegenüber der Polizeigewalt wie der der Freiheit. Er
hat vielmehr, ebenso wie jener, nur solange Geltung, als nicht die
Zwecke der Polizei und deren pflichtmässige Verfolgung durch
die Polizeigewalt seine Durchbrechung verlangen. So ist zwar
daran festzuhalten, dass ohne besondere, in der Natur des Falles
gegebene Notwendigkeit die Polizei keine ungleichmässige Be-
schränkung der Bürger vornehmen darf. Da jedoch die von den
Einzelnen ausgehenden Gefährdungen der öffentlichen Ordnung
verschieden sind, so ergibt sich aus dem Wesen der Polizeige-
walt, besonders aus dem Grundsatze der Verhältnismässigkeit
polizeilicher Abwehr, die Notwendigkeit, dass auch die polizei-
lıchen Abwehrmassregeln gegenüber den einzelnen verschieden
sind: in dem Masse, wie mehr oder weniger grosse Störungen der
öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Ruhe von Einzelnen oder
(Gruppen von den Einzelnen ausgehen, sind diesen gegenüber mehr
oder weniger grosse Beschränkungen durch die Polizei zulässig. So
können die Metzger wegen der grossen Bedeutung ihres Gewerbes
für die öffentliche Gesundheit viel grösseren Beschränkungen
unterworfen werden, wie andere Gewerbetreibende; in noch grös-
serem Masse ist das bei den Abfuhrunternehmern der Fall; so
werden die Wirte im Interesse der öffentlichen Sicherheit in einer
Weise durch die Polizei beschränkt, ja ihr dienstpflichtig gemacht,
wie es privaten Vermietern gegenüber nicht stattfindet; so liessen
sich unzählige Beispiele anführen von dem kleinsten Unterschied
an bis zu dem exorbitanten Unterschied in der polizeilichen Be-
handlung zwischen den honnötes femmes und filles de mauvaise vie,
der so ungeheuer ist, dass die Dirnen geradezu als ausserhalb
les gemeinen Rechts stehend erscheinen. Also die Gleichheit
der Bürger wird von der Ungleichheit ihrer Bedeutung für die
Archiv für öffentliches Recht. XXIV. 3. 27