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und entbehren der mitunter schwer vermissten Gelegenheiten
eines förmlichen Verfahrens.
Der gute Glaube an die Möglichkeit eines sozialen Friedens
hat in der deutschen Sozialgesetzgebung schon manche gute
Früchte getragen — freilich auch schon manche Enttäuschung
erfahren. Das schwierigste aber unter allen Problemen dieser
Gesetzgebung ist ohne Zweifel die Arbeitskammer.
Die Aufgabe ist kurz gesagt, dem freien wirtschaft-
lichen Kampf im Arbeitsverhältnis die Form
des geordneten Verfahrens zu geben; die orga-
nische Hülle dieses Verfahrens soll die Arbeitskammer werden.
Ist es dem Entwurf auch nur gelungen, den Punkt richtig zu
bezeichnen, an welchem solche Einrichtung anzusetzen ist, so hat
er schon viel geleistet. Dass dieser Punkt nicht mehr wie ehe-
dem im einzelnenBetrieb zu suchen seı, ist mit dem Hin-
schwinden der alten Uebermacht des patriarchalischen Fabrik-
paschatums allmählich offenkundig geworden. Ebensowenig wird
erin der Bureaukratie des Staats gefunden werden, denn
das hiesse die Vollendung eines unwirtschaftlichen formalen
Staatssozialismus und ebensowenig wird man auch die fernere
Gestaltung dieser Verhältnisse dem Parteigetriebe und der Ge-
setzgebung allein überlassen können. Zwischen Gewerbebetrieb
und Staat in der Mitte muss die Organisation, wenn überhaupt,
einsetzen. Gegeben sind die aus freier Koalition und freiem
Verbandswesen hochgewachsenen Interessentengruppen, die Ar-
beitgeberverbände und die Arbeitergewerkschaften. Ihr Gegen-
satz besteht, er muss bestehen und berücksichtigt werden. Es
handelt sich nicht darum, ihn zu vernichten, sondern füglich mit
dem Ganzen in Verbindung zu setzen. Zugleich aber soll dem
Staat der mögliche und zweckmässige Anteil in dem organischen
Gewebe gesichert werden. Dies hat der Entwurf sich zum Ziele
gesetzt. Die Motive orientieren über den Stand der Frage in
Deutschland und im Ausland und deuten sogar eine gewisse Rück-