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Aus dem Angeführten geht nun hervor, dass das „Natur-
recht“ im Sinne von Lucas den refere legislatif nicht zu Fall
gebracht hat, weder in Frankreich, noch in Oesterreich, noch in
Preussen. —
Ill.
Aber ist es überhaupt das „Naturrecht“, von dem Art.4
des Code Napoleon und 8 7 des allgem. bürgerl. Gesetzbuchs
handeln? Ich glaube nicht. Esistblossdas freie richter-
liche Ermessen, die Natur der Sache, die auch wir
heute noch, trotz aller Gegnerschaft gegen das überpositive Natur-
recht, gelten lassen. Der Ausspruch von PORTALIS (zu Art. 4,
den auch Lucas zitiert S. 421) spricht dieses zur Genüge aus;
man lese ihn nur unbefangen, ohne die Unterstreichungen von
Lucas:
„Quand la loi se tait la raison naturelle parle encore; si
la pr&voyance des legislateurs est limitee, la nature est infinie“.
Er redet also nur von nature, nur von raison naturelle, aber
nicht von Naturrecht.
Aehnlich erklärte der oben zitierte „alleruntertänigste Vor-
trag der österreichischen Hofkommission in Gesetzsachen * (ÖFNER
a. 4.0. 8. 473):
„Immer aber war man zugleich besorgt, die gefährliche
Klippe einer ängstlichen, weitschweifigen und auch nicht ge-
schriebenen Kasuistik zu vermeiden. Von ihr kann man weder
das römische noch das preussische Gesetz freisprechen. In
diesen Fehler der Gesetzgebung muss man notwendig verfallen,
wenn man so wie das preuss. Gesetzbuch den Richter an eine
buchstäbliche Anwendung des Gesetzes binden und in eine
rechtsprechende Maschine verwandeln will. Dagegen wird in
dem beiliegenden Entwurf dem Richter eine freiere doch ver-
nünftig beschränkte Macht in der Ausübung und Anwendung
der Gesetze zugestanden; er soll das Gesetz nach dem natür-