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lichen Sinn der Worte, nach dem ganzen Zusammenhange und
der klaren Absicht des Gesetzgebers erklären ($ 6). Er soll
auf ähnliche in dem Gesetz bekannte entschiedene Fälle ($ 7)
Rücksicht nehmen. Endlich, wenn ihm der Rechtsfall dennoch
zweifelhaft wäre, nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen ent-
scheiden.“
Ich möchte im obigen Satze nichts unterstreichen, um den
Leser nicht im vorhinein für meine Ansicht einzunehmen, aber
man wird wohl nicht fehlen, darin die Anerkennung des freien
richterlichen Ermessens zu suchen.
Wie sehr man am Ausgange des 18. und zu Beginn des 19.
Jahrhunderts zwischen dem allgemeinen Naturrecht und der
„Natur der Sache“ dem freien richterlichen Ermessen zu unter-
scheiden wusste !’, zeigt die Entstehungsgeschichte einzelner Para-
graphen des ALR.
Der gedruckte Entwurf zum allgemeinen Gesetzbuch $ 23
sagte:
„Alle im Staate vorgefallenen Handlungen und Geschäfte
müssen den Vorschriften der Gesetze gemäss eingerichtet werden“.
Dazu war moniert (Extractus monitorum Materialien im Königl.
Just.Min. z. ALR. vol. 72, fol. 29): „Es wird bei diesem Para-
graphen angeführt:
Sind keine Gesetze vorhanden, so bleiben — die Analogie,
von in denen Gesetzen schon entschiedenen Fällen, denn
die Natur der Sache muss dem Richter einen Leitfaden
zur Decision geben — der Regent ergänzt bloss das Recht der
Natur. Hat er es nicht getan, so bleibt dieses Recht bestehen.
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17? Der Unterschied lief auf die damals von Naturrechtslehrern z. B. DA-
RIES Institutiones Jurisprudentiae universalis 1756 $$ 14—16 und $ 952 ge-
machte Unterscheidung zwischen jus naturae absolutum und jus naturae
hypotheticum hinaus, mit dem auch die Redaktoren des ALR. (siehe DANCKEL;-
MANN in Materialien vol. 88 fol. 13 ff. und v. CARMER-SUAREZ ebenda fol.
19 ff.) operierten.
Archiv für öffentliches Recht. XXIV. 3. 3l