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der Bürger kommen aus den Gesetzen, die Gesetze hängen
von meinem Willen ab? Wenn der Satz, der nur ein Lehr-
satz ıst, stehen bleiben soll, so müsste darin des natürlichen
Rechts ausdrücklich erwähnet werden: Verbis: Aus den natür-
lichen oder bürgerlichen Gesetzen.“
Darauf erwidert SUAREZ (Revisio monitorum vol. 80, fol. 73 ff.)
„Halte ich für unerheblich. In einem Gesetzbuche kann nur
von juribus perfectis, d. h. von solchen Rechten die Rede sein,
bei deren Ausübung ich auf richterlichen Schutz Anspruch
mache und den Verpflichteten zur Erfüllung der Verbindlich-
keiten, welche das Korrelativ davon ist, durch richterliche
Hilfe zwingen kann. Dies kann nur von Rechten gelten,
welche die Sanktion der positiven Rechte für sich haben. Alle
Lehrsätze des Naturrechts, welche in Foro civili gelten können,
müssen und haben auch gewiss die Sanktion der bürgerlichen
(sesetze erhalten. Nur verwechselt man gar zu oft Verbind-
lichkeiten aus dem Naturrecht mit Pflichten der Moral. Diese
können freilich nicht durchgehends gesetzliche Sanktion erhalten,
sie begründen aber auch, wenn ihnen diese Sanktion fehlt,
kein jus perfectum. Selbst in dem Exempel des Herrn von
(GROLMAN würde allerdings, wenn das tyrannische Gesetz ein-
mal existierte, in Foro civili danach erkannt werden müssen.
Eine solche Verweisung auf die Vorschriften des Naturrechts
ist gefährlich, da wir keinen allgemeinen anerkannten Codicem
juris naturalis haben, und Theorien des Naturrechts durch
positive Gesetze häufig abgeändert werden.“
Schliesslich wurde dann doch gegen SUAREZ das Naturrecht
anerkannt in der Fassung des $ 87 des ALR. Es war damit
das Naturrecht als überpositive Rechtsquelle im Gesetzbuche zur
Geltung gekommen. Man sieht also, wie scharf das freie Er-
messen und das Naturrecht geschieden werden konnten. Letz-
teres war im ALR. anerkannt, aber ersteres nicht. Umgekehrt
war im österr. BGB. und Code Napoleon die Natur der Sache
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