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Rechtskraft der Schiedssprüche kann nicht einfach damit abgetan werden,
dass es sich hier um staatsrechtliche Interna handle, und dass das Vertrauen
auf die loyale Erfüllung der Staatsverträge die Basis alles Völkerrechts sei.
Wenn der Satz: Völkerrecht bricht Landesrecht, sich Anerkennung ver-
schaffen soll, so ist es notwendig seine Tragweite nach allen Seiten
zu prüfen. Das ist besonders zwingend bei einem Weltschiedsvertrag, der
mehr als irgend ein auderer Staatsvertrag Kollisionen zwischen internem
und internationalem Recht herbeiführen kann und dessen Tragweite kaum
zu übersehen ist. Gewiss, wer, wie es ein grosser Teil der Delegationen
tat, & tout prix einen Weltschiedsvertrag unter Dach bringen will, wird
die denn Problem immäanenten Schwierigkeiten übersehen wollen oder wenig-
stens als cura posterior zurückschieben. Der Grund. weshalb sich die
Mächte in der Schiedsfrage nicht einigen konnten, bestand wohl nicht in un-
versöhnlichen Gegensätzen, welche von Anfang an bestanden hätten, sondern
in der Einseitigkeit, mit welcher die Anhänger des Listensystems gerade
diese, von NIPPuL1LD selbst als verfrüht bezeichnete Neuerung durchsetzen
wollten. Die Intransigenz von der einen rief einer gleichen von der andern
Seite, sodass schliesslich eine Einigung auf die Punkte, für die alle, wenn
auch zu verschiedenen Zeitpunkten, sich ausgesprochen hatten, am Schluss
nicht mehr möglich war. Die Deklaration in der Schlussakte sollte ledig-
lich die Gegensätze, welche immer stärker hervortraten, verdecken; sie kann
aber kaum als eine gewonnene Position für das Völkerrecht, als Ausdruck
einer wirklich einheitlichen Ueberzeugung gelten.
Wenn man die Verhandlungen der Konferenz ausschliesslich auf Grund
der Akten beurteilt, kann ıuan leicht zu einer und zwar wohl meist zu
optimistischen Beurteilung der Sachlage gelangen. Es ist überhaupt nicht
wohl möglich, nach den Verhandlungen die definitive Stellungnahme der
Regierungen zu bestimmen, denn die Projekte, welche die Konferenz am
meisten beschäftigten (obligatorischer Weltschiedsvertrag und Cour de ju-
stice arbitrale), sind mehr oder weniger unerwartet in die Diskussion ge-
worfen worden. sodass erst die Zukunft lehren wird, wie sich die einzelnen
Staaten zu diesen Fragen stellen werden. Es liegt, wie NıproLn sehr
richtig bemerkt, eine Gefahr für den Erfolg mondialer Konferenzen darin,
weun man ihnen zumutet. über den durchschnittlichen Stand des interna-
tionalen Rechts in Grundfragen hinauszugehen. Hätte man sich begnügt,
den bestehenden Schiedshof zu verbessern, statt einen zweiten auf total
neuer Grundlage zu errichten, und hätte man dem Weltschiedsvertrag den
vorherrschenden, durch den französisch-englischen Vertrag von 1903 reprä-
sentierten Konventionstypus zugrunde gelegt, statt das erst vereinzelt an-
erkannte Listensystem und bedingungslose Obligatorium durchsetzen zu
wollen, so wären der Konferenz wahrscheinlich mehr positive Resultate be-
schieden gewesen. Die Konferenzen, überhaupt die Kollektivakte haben er-
fahrungsgemäss mehr den Zweck zu konsolidieren und zu kodifizieren al»