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Dr. Walther Waldschmidt, Direktor der Aktiengesellschaft Ludwig Loewe
& Co. in Berlin, Kaufmännische Buchführung in staat-
lichen und städtischen Betrieben, nebst einem Anhang,
enthaltend Auszüge aus dem Haushaltungsplane des preussischen
Staates, der Städte Wiesbaden, Wien und Frankfurt a. M. Berlin
1908, Otto Liebmann. Preis: 1 Mk.
Die vorbezeichnete Schrift gibt den Inhalt eines Vortrags wieder, den
der Verfasser am 22. Mai 1908 in der Vereinigung für rechts- und staats-
wissenschaftliche Fortbildung in Köln gehalten hat. Der Vortrag hatte die
Frage zum Inhalt, welches Buchführungssystem sich für die öffentlichen
Verbände am besten eignet. Das dem preussischen Etat zu Grunde liegende
System des neuen kameralistischen Stils wird als ungeeignet bekämpft.
Auf dieses aus Oesterreich übernommene System führt WALDSCHMIDT die
Unübersichtlichkeit des preussischen Etats zurück. Das System der kamera-
listischen Buchführung bezweckt eine Kontrolle der Kassengebarungen, eine
Kontrolle der Ein- und Ausgänge der Kasse. Vor allem aber gewährleistet
der neue kameralistische Stil die Möglichkeit, jede gesetzliche Anordnung
mit ihrer Durchführung zu vergleichen; denn das Soll in dem Voranschlag
des Etats bedeutet bei dem neuen kameralistischen Stil eine von der Ver-
waltung vorgeschlagene, in dem genehmigten Etat eine von der Volksvertre-
tung bewilligte Anordnung. Das Ist bedeutet die Ausführung der Anordnung.
Diese Art der Buchführung lässt also besonders deutlich hervortreten, ob
Ausführung und Anordnung sich decken, oder inwieweit sie sich nicht decken.
Der neue kameralistische Stil bildet sohin für die Volksvertretung ein
wesentliches Hilfsmittel bei Handhabung des Kontrollrechts. Auf der an-
deren Seite aber fehlt dem System der kameralistischen Buchführung ein
Hauptvorzug, welcher der kaufmännischen doppelten Buchführung eigen ist:
letztere zeigt den wirklichen Reingewinn des gesamten Unternehmens und
seiner einzelnen Zweige; ersteres aber lässt nicht ersehen, was das Unter-
nehmen verdient und welchen Wert das Unternehmen zurzeit besitzt. Die
mangelnde Möglichkeit, aus dem Etat (ie Rentabilität und den Wert der
einzelnen Unternehmen des Staates zu erkennen, ist es gerade, welche den
Vorwurf der Unübersichtlichkeit dem preussischen Etat gegenüber veran-
lasst. Es drängen sich uns sohin auf der einen Seite grosse Vorzüge des
neuen kameralistischen Stiles auf, während auf der anderen Seite gewisse
Fehler dieses Systems bei der doppelten Buchführung vermieden sind. Aus
dieser Erkenntnis heraus fordert WALDSCHMIDT eine Kombinierung beider
Systeme für die öffentlichen Verbände. Er verlangt die Einführung der
doppelten Buchführung für die wirtschaftlichen Unternehmungen der
öffentlichen Verbände; im übrigen will WALDSCHMIDT den neuen Kameral-
stil beibehalten wissen. Der Verfasser meint beiläufig, dass die Kontrolle
der Geschäftsführung nach der Richtung, ob sich Ausführung und Anord-
nung, Bewilligung und Ausgaben decken, bei wirtschaftlichen Unterneh-