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geworfene und seines Erachtens von denen, welche den staat-
lichen Charakter Finnlands behaupten, unbeantwortet gelassene
Frage ihre Lösung gefunden haben, nämlich die Frage, wel-
cher Rechtssatz dem Kaiser von Russland verbietet,
den Grossfürsten von Finnland sich durch Zwangsmittel zu unter-
werfen. Hier steht jedoch dem Herrscher, wie dargelegt, schon
der Umstand im Wege, dass eine derartige Massregel in ihrem
konkreten Tatbestande notwendigerweise zugleich ein vollkommen
innerstaatliches Unrecht, eine Verfassungsverletzung involviert.
Uebrigens dürfte es, da die Beziehungen zwischen Russland und
Finnland nicht international-politischer Natur sind, auch richtiger
sein, die Frage in der Form aufzustellen, kraft welchen Rechts-
satzes der Kaiser von Russland denn berechtigt sei, etwas
Derartiges zuunternehmen. Rein oder ausschliesslich nach Völker-
recht zu beurteilendes Unrecht kann Russland, sei es durch
den Kaiser allein oder durch ihn unter Mitwirkung anderer
Organe, nicht verüben; Rechtsverletzungen, welche unter staats-
rechtliche Beurteilung fallen, wenn ihnen auch sozusagen
ein gemischter Charakter innewohnt (einerseits ein Angriff der
russischen Staatsmacht auf finnländische, andererseits ein von
dem finnländischen Grossfürsten begangener Verfassungsbruch),
darf er nicht verüben, wenn man überhaupt geneigt ist, die Ver-
bindlichkeit des öffentlichen Rechtes auf den verschiedenen Gebieten
des Lebens anzuerkennen. Erfolgen trotzdem von russischer Seite
Verletzungen oder willkürliche Veränderungen des vom Kaiser
Alexander I. für immer bestätigten rechtlichen Verhältnisses, so
haben diese, mag man sie für natürliche Betätigungen und Er-
weiterungen der souveränen russischen Staatsmacht oder für sonst
etwas ausgeben, jedenfalls den Charakter reiner, aller Berechti-
gung entbehrender Gewaltakte, die eines Rechtsstaates unbedingt
unwürdig sind.