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Da ist zunächst die Behauptung: „Diese Vorschriften (die
Spezialnormen) haben unverkennbar den Charakter von Aus-
nahmsbestimmungen“ (RAnDA 76). Aber die Notorietät ihres
Ausnahmscharakters ist fraglich. Es ist vielleicht logischer, jeden-
falls aber nicht unlogisch zu sagen, sie seien einzelne Anwen-
dungsfälle eines allgemeinen Prinzips ; gerade ein solches wird —
wie gezeigt — emsig gesucht und bald in dieser bald in jener
Form verkündigt. Damit verschiebt sich sofort das ganze Bild.
Jenseits von „Ausnahmsbestimmungen“ steht die Regel als Gegen-
satz; jenseits von „Anwendungsfällen“ das allgemeine Prinzip
als Bestätigung.
Dann spielt — wie üblich — der historische Apparat
(RanDA 77). Eine beiläufige Bemerkung der Protokolle zum
ABGB. wird zum Beweisdokument. PRATOBEVERA äusserte in
der Sitzung vom 8. VI. 07: nie könne er glauben, „dass eine
gleiche Haftung wie selbe im HD. v. 4. I. 1787 Z. 609 bezüg-
lich der pflichtwidrigen Handlungen des vormundschaftlichen Ge-
richtes den Obrigkeiten auferlegt wird von dem Landesfürsten
übernommen werde und er aus den Landeskassen den durch seine
Beamten zugefügten Schaden ersetze.“ Das Argument ist dürf-
tig. Von dem Begriffe des Landesfürsten, wie er sich jenen alten
Kodifikatoren darstellte bis zu unserem Staatsbegriffe führt eine
säkulare politische Entwicklung. Darf die Rechtswissenschaft sie
ignorieren? Ist es ein auch nur erträglicher Gedanke die Scho-
lastik jener Zeit zur Grundlage unseres Verhältnisses zum Staate
zu machen?
Diese allgemeinen Erwägungen sollten nicht aus dem Auge
gelassen werden. Aber man sehe einmal ganz von ihnen ab und
prüfe die zu posthumer Wichtigkeit erhobene Aeusserung PRATO-
BEVERAs unbefangen aus ihrer eigenen Zeit heraus. Nichts liegt
dem alten Juristen ferner als die Absicht, einen Rechtssatz zu
formulieren oder eine Rechtsüberzeugung auszusprechen. Das
Problem erscheint ihm nicht als Rechts-, sondern bloss als Macht-