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eine rechtswidrige Amtshandlung seiner Beamten zugefügten Scha-
den zu ersetzen habe. Dass es sich hier nicht bloss um die Be-
amten der Patrimonialobrigkeiten, sondern um die Funktionäre
der öffentlichen Gewalt überhaupt handelte, kann keinem Zweifel
unterliegen.“ Dem setzt er die kurze Abfertigung entgegen:
„Trotzdem entbehrt diese Auffassung der obersten Justizstelle
und der Hofkommission in Gesetzsachen der Stütze des positiven
Rechtes; sie setzt voraus, dass der Staat für die Amtshandlungen
seiner Beamten unbedingt hafte, obgleich ein solcher Rechtssatz
weder aus der Natur der Sache folgt noch irgendwo positiv-
rechtlich ausgesprochen ist.“
Historisch gesehen mag es dahingestellt bleiben, ob dieser
Rechtssatz in dem Naturrechte jener Zeit nicht eine ausreichende
Stütze finden konnte. Für die Modernen liegt die Frage etwas
anders. Es ist richtig, dass dieser Rechtssatz expressis verbis
nirgends ausgesprochen ist; ob er aber nicht unausgesprochen
in dem Gesamtkomplex des modernen Rechtes als eines Nieder-
schlages ganz bestimmter Ereignisse und ganz bestimmter An-
schauungen und Empfindungen enthalten ist, wäre vor einer so
kategorischen Ablehnung zuvor doch noch zu untersuchen. Nicht
der geschriebene Buchstabe allein entscheidet; weit wichtiger ist
der Geist, in dem das was geschrieben steht von dem jeweiligen
Zeitalter gelesen und verstanden wird. Historische Exkurse, die
überdies —- wie sich zeigt — gegen das Beweisthema ausschlagen,
können nicht das letzte Wort bleiben.
Weder die österreichische Judikatur, noch die österreichische
Wissenschaft haben bisher die Formung des Gesetzstoffes nach
den Erfordernissen der neuen Zeit zuwege gebracht. Die For-
mulierung allgemeiner Prinzipien, worunter die positivgesetzlich
erledigten Einzelfälle subsumiert werden, ist ein erster Versuch.
Gleichwohl sind diese der philosophischen Phraseologie entlehnten
Formeln sterile Kategorien. Mit sanften Gefühlen und wohl-
wollenden Betrachtungen lässt sich das harte Leben nicht meistern.