Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 24 (24)

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Dieser Ausweg aus dem Dilemma freier Normverwirklichung 
oder buchstabentreuer Normverletzung ist der beste und natür- 
lichste. Das Dilemma wiederholt sich in allen Rechtsordnungen. 
Aber die Rechtsprechung ausserhalb Frankreichs hatte weder die 
Befähigung noch die Energie, das fehlende konstruktive Recht 
aus eigener Kraft zu schaffen. Die dumpfe Empfindung, dass 
Normverletzung unter allen Umständen Unrecht sei, hat sie auf 
Nebenwege gedrängt und lässt sie das zur Ergänzung der Nor- 
men erforderliche konstruktive Recht im Zivilrechte suchen, wel- 
ches natürlich nie und nimmer die angemessenen „regles specia- 
les“ zu liefern imstande ist. Das sind juristische Perversitäten, 
welche diese Judikatur zum Gespötte machen ’”®, 
Die österreichischen Gerichte sind in derselben Lage. 
Jenen Entscheidungen, welche jede Entschädigung deshalb ver- 
sagen, weil sie in keinem Gesetze angeordnet ist, stehen nicht 
wenige gegenüber, welche Entschädigung entweder gewähren oder 
doch wenigstens gewähren möchten und nur in der Begründung 
unsicher herumtasten. Die Normen — das österreichische Recht 
enthält im AllgStaatsbG. ausdrücklich die Normen der Freiheit 
der Person und der Unverletzlichkeit des Eigentums — sind ihnen 
mehr oder minder deutlich gegenwärtig, aber das Schwergewicht 
der Gewöhnung zieht diese Richtersprüche immer wieder in den 
78 OTTO MAYER, Die Entschädigungspflicht des Staates nach Billigkeits- 
recht, 21: „flagrante Uebergriffe in das Gebiet des öffentlichen Rechtes, 
Verrenkungen und Ausrenkungen der zivilrechtlichen Institute.“ FLEINER, 
Ueber die Umbildung zivilrechtlicher Institute durch das Öffentliche Recht, 
20: „Sofern der Gesetzgeber nicht für besonders empfindliche Fälle die 
Lücke durch positive Festsetzung einer Entschädigungspflicht ausgefüllt 
hat, haben nicht selten die Zivilgerichte auf dem Wege der Rechtsprechung 
Abhilfe zu schaffen versucht. Das ist nur möglich geworden, indem sie 
das Interesse, das der Einzelne an der Aufrechthaltung bestimmter durch 
die Verwaltung geschaffener Einrichtungen besitzt, zu einem Privatrecht 
gestempelt haben. Meist ist dies nicht anders als durch eine Verbiegung 
und Verkrümmung privatrechtlicher Begriffe zu erreichen gewesen, Doch 
auf diesem Gebiete scheint der Zweck die Mittel geheiligt zu haben.“ 
 
	        
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