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der Reichsfiskus in dem gleichen Masse an die Stelle der Lan-
desfisci getreten sei wie das Reich in Ausübung von Hoheits-
rechten an die Stelle der Einzelstaaten.
In der Gesetzgebung undRechtsprechunghat
man sich demgegenüber auf die Souveränität des Reiches be-
rufen, die die Unterwerfung des Reichsfiskus unter die kommunale
(und staatliche) Steuergewalt nicht dulde. In diesem Sinne sagt
die Ausf.Anw. z. K.Abg.G. v. 14. 7. 1893 in A. 19 Abs. 3 Ziff. 4,
dass die Gewerbebetriebe des Reiches steuerfrei seien, „weil das
Reich unter der Finanzhoheit der Einzelstaaten nicht steht und
eine gewerbliche Besteuerung noch nicht zugelassen hat“.
Die gegensätzlichen Ansichten sind niemals deutlicher zum
Ausdruck gelangt als bei den Reichstagsverhandiungen
ım Jahre 1874, die den Gesetzentwurf mit dem Inhalt „Das
Reich darf zu den auf das Einkommen gelegten Abgaben (Ein-
kommensteuern) nicht herangezogen werden“ zum (Gegenstand
hatten (Drucksachen, II. Session 1874/75 Nr. 22; Sten. Ber. Bd.].
S. 143 ff., 267 ff.). Die Veranlassung zu diesem Entwurf hatte
die Stadt Berlin geboten, die die reichsfiskalischen Einkünfte
zur Steuer heranziehen wollte, und die Stellungnahme des
preussischen Ministeriums des Innern, das den Kommunen zur
Seite getreten war.
In den Motiven wurde auf die eigenartige Natur des
Reichseinkommens hingewiesen: Die Einnahmen des Reichs
flössen aus Unternehmungen, die, wie die Post, Telegraphie und
Eisenbahn, für öffentliche Interessen bestimmt seien, Domänen
besässe das Reich nicht und, abgesehen von Mietszinsen und Er-
trägen aus Grasnutzungen, sei ein eigentlicher Privaterwerb des
Reiches nicht vorhanden. Eine Besteuerung des Reichsfiskus
wurde hier wie auch bei der Beratung (Staatsminister Del-
brück, Abg. Miquel) als gegen die Souveränität des Reiches ver-
stossend hingestellt. Von Bismarck wurde — im Einklang mit
den Motiven — darauf hingewiesen, dass die Besteuerung eine