Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 24 (24)

— 590 — 
gemeinsten und wichtigsten dar. 
Nachdem ScHmipT die Klauseltheorie in ihrer bisherigen Fassung als 
Ganzes abgelehnt hat, stellt er fest, dass ihr doch ein berechtigter Kern 
innewohne. Die Nichteinhaltung von völkerrechtlichen Verpflichtungen, 
nicht nur vertraglichen, in Fällen, in denen die Beobachtung des Rechts 
zu einem Widerspruch mit dem bei Begründung des Rechts massgebenden 
wahren Parteiwillen führt, ist eine regelmässig wiederkehrende Tatsache. 
Diese Tatsache zu berücksichtigen ist die Wissenschaft nicht nur berech- 
tigt, sondern verpflichtet. Verfehlt aber ist an der Klauseltheorie, dass sie 
ein Juristisches Korrektiv des Satzes: pacta sunt servanda gibt. Diese letz- 
tere Norm findet nach SCHMIDT lediglich eine tatsächliche, nicht eine recht- 
liche Schranke. Die Eigentümlichkeit der internationalen Rechtsordnung, 
das Fehlen einer autoritären Sozialgewalt gestattet nicht, dieser tatsäch- 
lichen Schranke rechtliche Form zu geben, während das staatliche Recht 
in analogen Fällen von Kollisionen zwischen formell geltendem Recht und 
sozialer Notwendigkeit in Rechtsinstituten wie der Verjährung, dem Not- 
stand, der Straflosigkeit der Souveräne einen Ausgleich zwischen Recht und 
Wirklichkeit bietet. Das staatliche Recht liefert aber auch Beispiele von 
Normen, die unbestreitbar formell gelten, aber tatsächlich nicht oder nur 
beschränkt sich durchsetzen (Rechtsgleichheit, Duellverbot etc.). Die Rechts- 
verhältnisse lassen sich eben nicht restlos juristisch erklären, sondern sind 
im Zusammenhang aller, auch der präjuristischen soziologischen Faktoren 
zu würdigen. 
Zum Schlusse mag noch — was SCHMIDT nicht erwähnt — darauf hin- 
gewiesen werden, dass die Clausula rebus sic stantibus, allerdings in einer 
etwas veränderten, im Grunde jedoch wesensgleichen Gestalt eine ausser- 
ordentlich ausgedehnte konventionelle Anerkennung in der sog. Interessen- 
klausel der Schiedsverträge gefunden hat. Das Bedenkliche, welches der 
Klausel eigen ist und das nach SCHMIDT deren positive Geltung auch für 
die Zukunft unwahrscheinlich machen soll, ist in jenen Verträgen dadurch 
abgeschwächt oder beseitigt, dass die Parteien entweder ausdrücklich da: 
Recht zu diskretionärer Geltendmachung der Klausel zugesichert erhalten, 
oder aber, dass die Vorfrage, ob eine Verletzung vitaler Interessen vorliege. 
bedingungslos einem Schiedsgericht unterworfen wird. Max Huber. 
Niemeyer, Prinzipien des Seekriegsrechts. Berlin 1909. 
NIEMEYER behandelt in dieser kleinen Schrift, welche die Wiedergabe 
eines in der Juristischen Gesellschaft in Wien gehaltenen Vortrages ist, die 
Grundlagen des Seekriegsrechts in grosszügiger, geistreicher Weise. Der 
Verfasser hat dabei nicht eine beschreibende Darstellung der geltenden 
Normen im Auge, sondern eine Untersuchung der für die Bestimmung der 
Sätze des Seekriegsrechts anzuwendenden Methode. Dabei geht er aus von 
dem grotianischen Satz: omnia licere in bello quae necessaria sunt ad
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.