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wurf, „privatrechtlichen Formalismus* zu treiben, nicht erspart bleiben wird.
Leider ist die Schreibweise des Verfassers eine so wenig durchsichtige, dass
es oft schwer fällt, seine Meinung zu ergründen. Da es nicht möglich ist.
im Rahmen einer Anzeige auf sämtliche vom Verfasser erörterte Rechts-
fragen einzugehen, so seien hier nur zwei erwähnt — die eine wegen ihrer
prinzipiellen Wichtigkeit. die andere, weil sich Ref. selbst mit ıhr ex pro-
fesso beschäftigt hat. Der Verfasser spricht sich dagegen aus, dass die
Neutralität nicht mehr als ein tatsächlicher Zustand sein soll (S. 13); dies
sei sie nur insoferne, als jeder Kriegsfall eine Scheidung der Staaten in
Kriegführende und Nichtkriegführende bewirkt. Alle andern zu der Neu-
tralität hinzukommenden Elemente, insbesondere die Unparteilichkeit ge-
hören schon der Sphäre des Rechtes an (S. 14). Auch betont er den Unter-
schied zwischen dem blossen Friedenszustand und den: Zustand der Neu-
tralität, da in letzterem gewisse Handlungen einem speziellen Regime unter-
worfen sind (S. 26) die Kriegführenden erwerben in ihren gegenseitigen Be-
zwehungen eine spezielle Souveränetäts-Sphäre (S. 28). Die von HEILBORN
aufgestellte Theorie, wonach die Wirkungen der Neutralität auf einem Ver-
trag zwischen Kriegführenden und Neutralen beruhen sollen, bezeichnet der
Verfasser als eine reine Fiktion (S. 35), wenngleich er zugibt, dass ein
Recht auf Neutralität nicht existiert. Und während es HEITLBORN für mög-
lich hält, dass in Ermanglung eines Neutralitätsvertrages ein Staat weder
kriegführend noch neutral ist, ist dem Verfasser zufolge jeder nicht krieg-
führende Staat eo ipso neutral (S. 41). Ueber die Pflicht zur Unparteilich-
keit bemerkt der Verfasser mit vollem Recht, dass damit nicht bezweckt
wird, die Kräfte der Kriegführenden einander annähernd gleich zu machen,
sondern keine künstliche Veränderung in dem Verhältnis dieser Kräfte ein-
treten zu lassen (S. 49). Sodann wendet sich der Verfasser gegen die An-
sicht von GAREIS, wonach Neutralitätsverletzungen, mögen sie nun von
einem der Kriegführenden gegen einen dritten Staat oder in umgekehrter
Richtung begangen werden. keine Verantwortlichkeit begründen, sondern
einfach das Neutralitätsverhältnis zum Aufhören bringen. Er bemerkt hie-
gegen mit Recht. dass nicht jede Neutralitätsverletzung einen Akt der
Feindseligkeit (atto di belligeranza) bedeute und dass der Neutrale nicht
schon durch den Verkauf eines Schiffes oder durch ein paar Fälle von
Kontrebande-Zuführung die Eigenschaft eines Kriegführenden erwerben
könne. So verständlich und zutreffend nun auch diese und so manche an-
lere kritische Bemerkungen des Verfassers sind, so schwer ist es, ihm zu
folgen, wo er seine eigene Ansicht darlegt. Er sagt (S. 62 ff), dass der
Wille der kriegführenden Staaten, insoferne sie durch das Kriegsrecht mit
gewissen Rechten ausgestattet sind, und der Wille der Nichtkriegführen-
den, insoferne er diese Rechte mit allen ihren Wirkungen anerkennt, zu
einer Uebereinstimmung gelangen (s’incontrano in un accordo) welche die
tatsächliche Anerkennung der friedlichen Beziehungen hinsichtlich ihrer