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Vorsicht der Gesetze von den Parteien ausgesonnene Kunstgriftfe,
unvorhergesehene, seltnere Streitfälle herbeigeführet werden, die
sich aus dem positiven Rechte nicht entscheiden
lassen. In solchen Fällen bleibt, da doch jeder Rechtsstreit
durch Urteil geendiget werden muß, kein anderer Ausweg übrig,
als die Entscheidung aus den allgemeinen Rechtsprinzipien, aus
dem Natur- oder Vernunftrechte, welches keine, in dem
Sehkreise der praktischen Vernunft liegende Frage unbeantwortet
läßt, herzuholen“ *2,
Daß ZEILLER sich hier als Anhänger der BENTHAMschen
„Geschlossenheit des Gesetzbuches“ bekennt, kann wohl nicht
behauptet werden. Auch die Annahme, dab ZEILLER in der
Zeit nach Veröffentlichung dieser 1806 niedergeschriebenen
Abhandlung und vor Abfassung des a.u. Vortrages v. 19. I.
1808 zur BENTHAMschen „Geschlossenheit, Lückenlosigkeit des Ge-
setzbuches“ bekehrt worden sei und nunmehr, auf dieser neuen
Grundlage, den a.u. Vortrag konzipiert habe, wird zunichte,
wenn man bedenkt, daß ZEILLER denselben Standpunkt auch noch
1811 vertritt; die vorhin zitierten Ausführungen zu 8 7
ABGB., wie sie in seinem 1811 erschienenen Kommentar 165.
enthalten sind, stehen zur BENTHAMschen Theorie der „Geschlos-
senheit des Gesetzbuches“ doch in kontradiktorischem Gegensatz!
Auch der Lösungsversuch, daß die in Rede stehenden Aeuße-
rungen ZEILLERs aus verschiedenen Jahren (1801, 1806, 1808,
1811) stammen, demnach ein Wechsel in seinen wissenschaft-
lichen Anschauungen über die Beschaffenheit der Gesetzbücher
möglich sei, und daß er speziell um die Jahreswende 1807/08,
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#2 v. ZEILLER, Vorbereitung zur neuesten Österreichischen Gesetzkunde
im Straf- und Zivil-Justiz-Fache, in 4 jährlichen Beiträgen von 1806-1809,
I 1810, 45 ff. Es ist das eine Zeitschrift, die sich aus einer Reihe von
Abhandlungen ZEILLERsS zusammensetzt. Die vorliegende, erste Abhandlung
stammt, wie aus dem Datum der „Vorerinnerung“ („1. IX. 1806*; siehe
S. IV) sich ergibt, vermutlich aus dem Jahre 1806.