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difikation selbst ausdrücklich auf solche Rechtsquellen hinweisen
würde, sollten sie Geltung haben. Dem entsprechend bestimmt
das Kundmachungs-Patent des österr. ABGB. in Abs. 4, daß
„das bis jetzt angenommene gemeine Recht außer Wirksamkeit
gesetzt wird“ *°, und das Gesetzbuch selbst verfügt in den 8$ 10
u. 11: „Auf Gewohnheiten kann nur in den Fällen, in welchen
sich ein Gesetz darauf beruft, Rücksicht genommen werden. Nur
jene Statuten einzelner Provinzen und Landesbezirke haben Ge-
setzeskraft, welche nach der Kundmachung dieses Gesetzbuches
von dem Landesfürsten ausdrücklich bestätiget werden.“
Daß ZEILLER diesen Begriff der „Vollständigkeit“ der
Kodifikation im Auge hatte, ist begreiflich. Denn die Forderung
nach Vollständigkeit in diesem Sinn spielt in der deutsch-abso-
lutistischen Kodifikationsbewegung des 18. Jh. überhaupt eine
große Rolle. Wir finden sie, worauf ich bereits in meiner
Schrift (S. 421?) hingewiesen habe, in der Kabinettsordre Fried-
richs d. Gr. v. 14. IV. 1780, desgleichen stellt SUAREZ in einem
„bei Beginn seiner Arbeit“ verfaßten Promemoria die Forde-
rung auf: „Zu den äußern Eigenschaften eines Gesetzbuchs rechne
ich 1) daß die darin enthaltenen Vorschriften deutlich und be-
stimmt; 2) daß sie kurz; 3) daß sie vollständig sind“.
Ferner wird in dem Kundmachungs-Patent des österr. ABGB,,
v. 1. VI. 1811, Abs. 1, auf die „Vollständigkeit“ des Gesetz-
buches hingewiesen; aber auch das preußische Kodifikations-
werk, so wie es gemäß den 88 3—7 des Kundmachungs-Patents
zum AULR., v. 5. II. 1794, gedacht war (ein Komplex, bestehend
aus Provinzial-Gesetzbüchern und dem ALR. als gemeinsamem
Gesetzbuch mit subsidiärer Geltungskraft) hätte diesem Erforder-
#6 Vgl. hierzu PFAFF-HoFMAnNn, Kommentar I 1 8. 87 £.
47 Selbstverständlich beherrscht sie auch die Kodifikationsideen Na-
poleons.
#8 STÖLZEL, Suarez 224.