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nis der „Vollständigkeit“ entsprochen, wenn es zur Durchfüh-
rung gekommen wäre.
Dieser Begriff der „Vollständigkeit des Gesetzbuches“,
wie ihn das 18. Jh. kannte, stand der subsidiären Geltung des
N aturrechts selbstverständlich nicht im Wege, sein Ziel be-
stand ja nur darin, andere Quellen des positiven Rechts neben
der Kodifikation als überflüssig erscheinen zu lassen; zu der
Frage, wie der Richter gegenüber eventuellen Unklarheiten und
Lücken des „vollständigen“ (zesetzbuches zu stellen sei, war da-
mit überhaupt noch nicht Stellung genommen. Dies zu tun war
Sache der gesetzgeberischen Erwägung. Dabei gab es mehrere
Möglichkeiten; eine davon war die Verweisung des Richters auf
das Naturrecht; eine andere die Verweisung des Richters auf
den refere legislatif. Auch ZEILLER mußte da seine Wahl treffen,
und diese fiel begreiflicherweise auf das Naturrecht. So
können wir denn die Beobachtung machen, daß für ZEILLER die
subsidiäre Funktion des Naturrechts im Begriffe der „Vollstän-
digkeit des Gesetzbuches“ mitenthalten ist: Nach ZEILLER
ist das Gesetzbuch dann, wenn der Vernunft-Codex vom Gesetz-
geber als subsidiäre Rechtsquelle anerkannt ist, erst recht
vollständig; denn die „Vollständigkeit des Gesetzbuches“ hat
die Aufgabe, andere positive Rechtsquellen auszuschließen,
und dieses Ziel wird gerade dann umso sicherer erreicht, wenn
dem Richter gestattet wird, erforderlichenfalls den „Vernunft-
Codex“ zu Rate zu ziehen. Dieser Gedankengang kommt bei
ZEILLER in seinen oben“? zitierten Bemerkungen über den Be-
griff der „Vollständigkeit“ (Sitzung der Hofkommission v. 21.
XII. 1801) klar zum Ausdruck. _Der entscheidende Passus ist
im 2. Abs. des dortigen Zitates enthalten; es wird da gesagt:
Wenn der Gesetzgeber einerseits bei Festsetzung des positiven
Rechts „von den allgemeinen Grundsätzen des Rechtes ausgehe“
und wenn er anderseits „denkende und zu denken fähige Richter
* S. den Haupttext zu Anm. 41.