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wendung, die gerade der Partikel „quasi“ im Sprachgebrauch zu
teil wird, wäre man versucht, aus dem judex l. s. f. unmittelbar
den Quasi-judex zu konstruieren. Es ist fast Sakrileg, daß ein
vielleicht nur gelegentlicher Schulbegriff, wie er von Gajus auf-
gestellt worden war, von Justinian mit Gesetzeskraft ausgestattet
wurde; auch die systematische Behandlung dieser Materie ver-
rät die Zweifel, die die kaiserlichen Kommissionen dabei gehabt
haben mögen; man mochte fühlen, daß die Quasi-Theorie, legis-
latorisch — zumal auf Richter angewendet — mit äußerster
Zurückhaltung anzuwenden sei und daß sie etwa bei ganz singu-
lärer fast historischer Erwähnung in den Digesten der Betrach-
tung über die extra ordinariae cognitiones anzureihen sei. — Als
Quasi-Delinquent im Lehrbuch an erster Stelle behandelt, wird
der judex, qui litem suam facit, im letzten Buche der Digesten
an eine gewissermaßen verlorene Stelle gesetzt; denn abgesehen
von der abgekürzten Wiederholung des abstrakten Lehrbegriffs
in lex5$4D.44,7. ist, wie angedeutet, von Ulpian — in lex
15, 16, D. 15, 1 — das Verhältnis des judex, q. 1. s. f. nach Vor-
aussetzung und Folgen abweichend beurteilt worden. Unter
einem Quasi-delinquenten wird man einen judex, der dolo malo
handelt oder der der corruptela verfallen, sich nicht vorstellen
können.
Aber auch in anderer — freilich, wie nicht zu verkennen,
bei der Gestaltung der römischen Privat- Entschädigungs-
klage — entlegener Richtung kann es als bedenklich erachtet
werden, in die vertretbare Handlung eines Beamten den Delikts-
begriff hineinzutragen; denn da hiermit und mit dem entsprechen-
den „utique peccare“ und mit den, wenn auch nicht immer sinn-
so doch stammverwandten Begriffen der poena und des punire,
der strafrechtliche Standpunkt erkennbar wird, so muß,
jedenfalls für die gemeinrechtliche Praxis, die Ausführung als
berechtigt gelten, daß sine lege-sc. sine lege strieta — — eine