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die religio des Regreßrichters angerufen werden mußte, die
über einen andern Richter, über dessen Schuld gewisser-
maßen strafend zu Gericht sitzen solle. Wird erwogen,
dab die religio judicantis im Sinne der Quellen der Regel nach
auf dem Gebiet der tatsächlichen Beurteilung sich
bewegt haben wird, so wird es erklärlich, daß wir in den Ent-
scheidungen nirgends, namentlich nicht betrefis der sog. Extra-
judizialgeschäfte des Richters. den roten Rechtsfaden finden, der
durch die Regreßurteile erkennbar sich hindurchzöge, der es
verbieten müßte, menschliche Irrtümer schlechtweg als „uner-
laubte Handlungen“ oder als „Pflichtverletzungen“ zu bezeich-
nen. Muß es doch schon im wahren Sinne des Wortes befrem-
dend erscheinen, daß Doktrin wie Gesetz jenen Entschädigungs-
klagenden Namen der „Syndikatsklagen“ gegeben hat und
daß wir, ähnlich wie in unseren jetzigen „öffentlichen Klagen“
des Strafverfahrens, in der Vertretung der Syndikatsklagen dem
accusator publicus begegnen, einer Stellung, bei deren Ent-
wickelung vom 1. Januar 1900 ab unser volles Interesse wird
einsetzen müssen. Wer Sprache und Recht als echt nationale
Erzeugnisse betrachtet und insoweit eine Verwandtschaft beider
annimmt, wird erkennen, daß die Sprache überall da versagt,
wo es um Rechtsbildungen, die nicht der Volkheit entsprechen,
sich handelt. — Der judex qui litem suam facit, die Bildung
der Syndikatsklagen wie die prise A partie, die das französische
Recht für die Belangung des Richters voraussetzt, sind Erzeug-
nisse, die ebenso den Mangel an sprachbildnerischer Fähigkeit
wie an rechtssystematischer Eingliederung bekunden. Hiermit
mag es auch zusammenhängen, daß einzelne Rechtslehrer (BE-
SELER, Syst. des gem. deutsch. Privatr.) über die Syndikatsklagen
überhaupt nicht abhandeln, andere (BLUHM, Syst. der Rechts-
quellen) die Materie bei den Rechtsmitteln erwähnen, wieder
andere (FOERSTER-EccIvs, Privatrecht) auf objektivem Stand-