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Den Lobrednern der curationes und des Syndikats kann
auch in anderer Richtung die rechtsgeschichtliche Lehre ent-
gegengehalten werden, daß derselbe Polizeistaat, der über seine
eigenen Beamten und Richter den Aufseker und Ankläger be-
stellt, fortschraubend Schutz gesucht hat gegen wirkliche oder
vermeintliche schädliche Rückbildungen seiner eigenen staatlichen
Einrichtungen: — für Preußen wurde — man möchte sagen, rechts-
ähnlich der altrömischen extraordinaria cognitio — das Gesetz
vom 13. Februar 1854 betreffend die Konflikte bei gerichtlichen
Verfolgungen wegen Amts- und Diensthandlungen, aus den Mo-
tiven erlassen,
zu verhindern, daß die Tätigkeit der Organe der Verwaltung
durch vexatorische Klagen oder durch Furcht vor solchen ge-
lähmt werde.
Auf diese Betrachtung, die bereits im Eingang dieser Schrift
angedeutet worden ist, müssen wir auch in der Folge noch zu-
rückkommen, weil wir ın ihrem Gegenstande zwingend, den
Grund für Reformen in der Beurteilung der
Stellung und der Tätigkeit des Richters er-
blicken.
Hatten nun schon, wie erwähnt, in der gemeinrechtlichen
Praxis Meinungsverschiedenheiten darüber sich ergeben, ob der
Richter nur für Vorsatz, nicht auch für Versehen zu haften
habe!!, so wurde infolge der Grade der Schuld im Preußischen
Landrecht und infolge der allgemein gehaltenen Bestimmungen
der $8 88, 89 Th. IL tit. 10. A.L.R.
wonach auf die pflichtmäßige Führung des Amtes die genaueste
Aufmerksamkeit zu wenden und jedes dabei begangene Ver-
sehen, welches bei gehöriger Aufmerksamkeit, und nach den
11 Vgl. hierüber insbes. FOERSTER-Eccıus Il. S. 496, DERNBURG, Pr.
Privatrecht II. S. 926, LESKE, Vergleichende Darstellung des BGB. 2. Aufl.
S. 346.