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vereine an Kraft zu, so mag auch die Zeit nicht fern sein, daß
sie sich zu einem allgemeinen deutschen ausbilden, eine eigene
Presse halten und das Recht in Anspruch nehmen, zu ihren
Tagungen die Regierung einzuladen und „Resolutionen“ an die
Reichs- und Staatsbehörden zu erlassen. Obwohl wir aus unserer
Gegnerschaft zu solchen Bildungen kein Hehl machen, so be-
grüßen wir doch allezeit ernste und nachhaltige Bestrebungen,
dem deutschen Richtertum das wiederzugeben, was das alt-
preußische in seinem Kollegialprinzip besaß und was am besten
geeignet, bei Ersetzung des sogenannten Assessoren-Paragraphs,
den Begriff des Proletariats, der mit den An- und Auswüchsen
der Rechtsanwaltschaft bereits verbunden wird, für den Richter-
stand kraftvoll zu bannen. Mochte der in den preußischen Kreis-
gerichten, die das unentwegte Vertrauen der Nation besassen,
herrschende Geist sich auch mitunter für die Zentralisation un-
bequem erweisen, so bildete er doch für das Bewußtsein der ge-
meinsamen Standesehre ®® wie für die Rechtsprechung eine
solidere Basis, als in dem Flugsande unseres jetzigen Kol-
legialitätsbegriffs, der ein „Plenum“ nur aufdem Papier
des GV@G. $ 61 hat, je gefunden werden könnte. Es sind also
Organisationsfragen, die zu stellen sind und die wir auch für
unsere Betrachtung der Syndikatsklage andeuten. Mit der rich-
tigen Lösung dieser Fragen — u. a. Eingliederung der Amts-
gerichte in die Landgerichte — würde nicht nur der gebotene
geistige Stoffwechsel unter den richterlichen Beamten der Land-
gerichte und Amtsgerichte — deren Zusammengehörigkeit in
8 12 GVG. kopulativ zum Ausdruck gelangt ist — eintreten und
die selbst von den höchsten Instanzen oft gerügte formalistische
Rechtsprechung abgestellt werden, sondern es würden auch
3 Hoch rühmt F. BLUME in einer Widmung an SavıanY dieses Be-
wußtsein, an dem schon Mancher sich, ausharrend im Kampfe gegen die
Anfechtungen und Entbehrungen seines Berufs zu halten und aufzurichten
vermocht habe. (Staats-Min. 18. 4. 96).