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nügen, der politische, auf Zweck gerichtete Geist der Norm muß ihn davor
bewahren, zum lebendigen Formular zu werden. So mag er immerhin be-
denken, daß Bücher wie dieses nur eine Brücke, nicht aber der einzige
Weg zur höchsten Pflege des Rechtes sei. Piloty.
Hitzig, Dr.H. F., Altgriechische Staatsverträge über Rechts-
hilfe. Zürich 1907, Orell Füssli, 70 S.
Für den Angehörigen eines modernen Staatswesens ist der Gedanke, daß
von den Gerichten desselben Fremde im Prinzip ebenso behandelt werden
wie Einheimische, so einleuchtend und selbstverständlich, daß er Mühe hat,
sich einen anderen Rechtszustand vorzustellen. Und doch hat es Zeiten
gegeben, in denen die Staaten, — auch solche mit hochstehender Kultur —,
genau den entgegengesetzten Standpunkt vertraten. Der Schutz ihrer Ge-
richte war dem eigenen Angehörigen vorbehalten und der Fremde war im
Prinzip rechtlos. Sollte gegenüber Bürgern eines bestimmten anderen Staates
eine Ausnahme gemacht werden, so mußte dies durch besonderen Vertrag
zwischen den beteiligten Staaten vereinbart werden. Solche Verträge alt-
griechischer Gemeinwesen behandelt die vorliegende Abhandlung, die einen
Teil der Züricher Festschrift für REGELSBERGER bildet. Die im Titel er-
wähnte „Rechtshilfe“ ist mithin nicht das, was die technische Sprache un-
seres modernen deutschen Prozeßrechtes unter dem Worte versteht, also
nicht die Hilfe, die bei Ausübung der Gerichtsbarkeit das eine Gericht dem
anderen leistet, sondern der Rechtsschutz, der in einem Staat den Bürgern
des anderen auf Grund staatsvertraglicher Zusage gewährt wird.
Die Arbeit zerfällt in zwei annähernd gleich große Teile. In dem
ersten werden die überlieferten Rechtsverträge (47 an der Zahl) zusammen-
gestellt; Athen allein ist mit vierzehn beteiligt. Es folgt dann im zweiten
Teil die dogmatische Darstellung, in welcher der Reihe nach folgende
Punkte erörtert werden : der Begriff des Rechtsvertrages, sein Vorkommen
in umfassenderen anderen Staatsverträgen, sein Abschluß, sein Zweck, sein
Inhalt (Gerichtsverfassung, Prozeßfähigkeit, Verfahren, Urteil und Voll-
streckung, Rechtsmittel), endlich sein Einfluss auf den Prozess anderer Frem-
der und eigener Staatsangehöriger. Die Darstellung ist äusserst gedrängt.
stellenweise so sehr, daß ein volles Verständnis für denjenigen, der vom
griechischen Prozeßrechte nichts weiß, erheblich erschwert wird. Inhalt-
lich aber ist es ein sehr interessantes Bild internationalen Rechtsverkehrs,
was uns in der kleinen, aber gehaltvollen Schrift geboten wird. Aus den
vorhandenen Verträgen wird eine Fülle rechtshistorischer Tatsachen abge-
leitet, deren Aufdeckung bei dem Stand der Quellen, ihrer unvollkommenen
Erhaltung und ihrer zum Teil unklaren Fassung keineswegs überall eine
leichte Aufgabe war. Im einzelnen nimmt Verfasser denn auch mehrfach
Gelegenheit, fremde Auffassungen zu bekämpfen oder zu berichtigen: be-