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Jetzt galt das Wahlrecht nicht mehr als ein individuelles,
sondern als Ausfluß der sich selbst beschränkenden Staats-
souveränität, als ein öffentliches Recht, soweit man hier über-
haupt noch von einem „Rechte“ sprechen konnte, das die Souve-
ränität gewissermaßen als eine Gnade den Untertanen gewährte "!.
Und eben diese Sich-selbst-beschränkung der Souveränität
mußte im Wahlzensus ihre praktische Wirkung äußern, da die
Souveränität jetzt nicht mehr das unabhängige Volk schlechthin
als wahlberechtigt hinzunehmen brauchte, sondern die Gewalt
hatte, nach freiem Ermessen aus dem Volke die ihr angenehmen
Elemente auszuwählen, d. h. nach den damaligen Verhältnissen
das Wahlrecht auf den Großgrundbesitz zu basieren.
Dem berechnenden Engländer E. BURKE war es so ein
quid pro quo für die steuerkräftigsten Elemente des Staatsbür-
gertums: „He that has but five shillings in the partnership,
has as good a right to it, as he that has five hundred pound
has to his larger proportion. But he has not a right to an equal
dividend in the product of the joint stock; and as to the share
of power, authority, and direction which each individual ought
to have in the management of the state, that I must deny to
be amongst the direct original rights of man in civil society;
for I have in my contemplation the civil social man, and no
other“ !?,
Dem gebildeten Franzosen war auch der Besitz die einzige
Quelle für politische Einsicht. B. Constant als Repräsentant
dieses Typus urteilt: „Il faut donc une condition de plus que
la naissance et l’äge prescrits par la loi. Cette condition, c’est
le loisir indispensable A l’acquisition des lumidres, & la rectitude
11 Vgl. BruntscHui, Allgemeines Staatsrecht, Münch. 1852 S. 246;
JELLINEK, Allgemeine Staatslehre I a. a. O. S. 348ff., 438; RyrreEr, Die
schweizerischen Landsgemeinden, Zür. 1903 S. 208. M. MAURANGES, Le vote
Plural, Par. 1899 p. 15 ff.
12 E, BURKE, Reflections on the Revolution in France, Lond. 1791 p. 87.