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erster Linie die leichtere Schätzbarkeit des Besitzwertes dar,
während die Steuern als solche nur eine untergeordnete Bedeu-
tung haben !”,
8 3. Gestaltung des Wahlzensus unter dem Ein-
flusse derindustriellen Gesellschaft.
Hatte die ersten beiden Perioden innerhalb des Staats-
bürgerzensus ein Wechsel der theoretischen Anschauung ver-
ursacht, während der soziale Standpunkt unverändert blieb, so
verschiebt sich jetzt das Verhältnis: Von nun an hält sich die
Anschauung vom Wahlrecht als einem öffentlichen Rechte bis
ins letzte Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts und die wirt-
schaftlichen und sozialen Verhältnisse beginnen sich zu drehen.
Infolge der Bestrebungen des Liberalismus waren nämlich
nach und nach für Besitz und Arbeit die beengenden Schranken
gefallen, und durch die Fortschritte der Naturwissenschaften
und Technik der extensive Gewerbebetrieb durch den intensiven
verdrängt worden. So tritt nun neben die bisher allmächtige
Grundrente ein neuer wirtschaftlicher Faktor, der Kapitalge-
winn, und während beide sich anfangs noch die Wage halten,
schwingt sich letzterer infolge des Vorherrschens des Pachtsy-
stems und der Verschuldung des Grundbesitzes bald zu einer
dominierenden Stellung empor. Praktisch begreift diese frisch
aufstrebende industrielle Gesellschaft nicht den Großkapitalis-
mus, der sich durch Grunderwerb längst schon Stimme und Sitz
im Parlament zu sichern wußte, sondern das Mittel- und Klein-
gewerbe: In den Städten sind es besonders die Hauseigentümer
— denn auch Hausbesitz wird nun zum Gewerbe — die Ge-
werbemeister, Inhaber von Handelsgeschäften usw., auf dem
Lande, wo die Wirtschaft infolge der Marktproduktion nun auch
eine industrielle wird, neben dem Ackerbürgertume die große
Masse der Teil- und Pachtbauern, kurz das, was wir heute
Vgl. S. 216, 236, 244, 255, 260, 268, 280, 284.