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tum als der Gesamtheit gehörig zu stempeln. Das Wahlrecht, das
früher gewissermaßen eine Erscheinung des Eigentums war, wird
jetzt eine Erscheinung der Persönlichkeit, wozu notwendig
auch die moderne Entwicklung mit ihrer individualisierenden
Tendenz den Weg wies”,
Stand nämlich der Arbeiter zu Zeiten des extensiven Ge-
werbebetriebes in einem familiären Abhängigkeitsverhältnis zum
Meister und Abeitgeber, so löste er sich mit dem intensiven Groß-
betrieb einerseits infolge der großen Arbeiterzahl und der Ar-
beitsteilung, die dieses Verhältnis unmöglich, andrerseits infolge
der Geldentlohnung, die ein solches unnötig machte, gewisser-
maßen als eine auf eigene Faust wirtschaftende Person vom
Fabrikanten los. Wenn trotzdem bisweilen heute noch aus dem
Abhängigkeitsverhältnis des Arbeiters seine politische Stimmun-
fähigkeit konstruiert wird, so beruht dies auf einer Verwechslung
der moralischen Selbständigkeit mit der sozialen. Weiterhin
ist es auch gerade die moderne Zeit, die das Arbeitervolk zum
Träger der hohen indirekten Steuern und allgemeinen Wehr-
pflicht machte.
81. Die Gestaltung des Wahlzensus zu@unsten
des städtischen Arbeitertums.
Vor allem war es das städtische Arbeitervolk, „das geistig
regsam in den großen Zentren des Verkehrs und Brennpunkten
des politischen Lebens“, wie G. MEYER sagt, unter der Führung
des Sozialismus zu einer Verständigung über die Abhilfe seiner
stiefmütterlichen Bevormundung kommen mußte und dann durch
Revolution und Reform die erste Unterperiode des differentiellen
Massenzensus, die Gestaltung des Wahlzensus zu Gunsten des
städtischen Arbeitertums herbeiführte.
23 Vgl. LORENZ v. Stein, Die industrielle Gesellschaft, S. 62 ff.
?* Vgl. Puıvıpp, The function of labour in the production of wealth,
Lond. 1890 a. a. O. p. 26.
Archiv für öffentliches Recht. XXVI, 2. 14