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heit für alle!“ schloß, erscholl — bezeichnender Weise das erste
und einzige Mal während der ganzen Wahlverhandlung — von
den Gallerien lauter Beifall!?®. In der Tat verfehlte diese Kund-
gebung des Volkswillens ihre Wirkung nicht, denn im weiteren
Verlaufe der Verhandlung ist die zensusfeindliche Stimmung die
vorwiegende und wenn ja noch Leute wie RUTENHAN und GÖTZ
sprechen, treten sie im “@efühle ihrer Niederlage nicht mehr so
warm für ihre Idee ein, sondern suchen sich mit leeren Redens-
arten aus der Schlinge zu helfen !*°.
Nachdem auch in der Kammer der Reichsräte der Vorschlag
ihres Referenten v. SEINSHEIM auf einen 3 fl. Steuerzensus für
das aktive Wahlrecht keine ernste Unterstützung fand!*!, nahm
der Wahlzensus in der Form des Gesetzesentwurfes mit dem
10. Juni 1848 Gesetzeskraft an!*?.
Ebenso wie Bayern führten auch die anderen Staaten Süd-
deutschlands unter dem Drucke der französischen Februarrevo-
lution einen Quasizensus ein. Württemberg verlangte für aktives
und passives Wahlrecht lediglich Steuerzahlung, Sachsen-Koburg
und Sachsen-Gotha Selbständigkeit und Steuerzahlung, Baden
endlich verharrte auf seinem alten Standpunkte. Noch zwei
andere Staaten haben hier ihrer späteren Enwicklung wegen
Platz zu finden: Hessen, das beide Kammern aus Wahlen her-
vorgehen ließ, während nur das Wahlrecht zur ersten durch einen
Steuerzensus von 20 fl. bedingt war, und Oldenburg, wo das
Wahlrecht jedem selbständigen Staatsbürger zustand !*.
Aber die Hochflut der französischen Revolution war über
Deutschland zu einer Zeit hinweggebraust, wo sich eben noch der
Uebergang der realen Machtverhältnisse vom Staatsbürgertum
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19 Verhandl. 1848 Pr. B. IV, 451
14 Vgl. Verhandl. 1848 Pr. B. V, 1.
121 Verhandl. d. K. d. R. R. 1848 B. B. 103 IV.
a2 W, G. v. 10. Juni 1848 Art. 5, 10.
145 Vgl. GEORG MRYER, S. 190 ff.