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sei! Ohne Zweifel entspricht es den realen Machtverhältnissen
unserer Tage keineswegs mehr, und träte in Deutschland nicht
das Interesse am Landtag hinter dem am Reichstage zurück,
das preußische Dreiklassenwahlsystem bestünde heute sicherlich
nicht mehr.
In dem jüngsten Wahlgesetz des Kgr. Sachsen 1909, das
mit einem mächtigen Satze in die dritte Unterperiode des Mas-
senzensus übersprang, erblickte man allgemein das Vorbild der
preußischen Reform. Hier wird an Zensusbedingungen_ allge-
mein aufgestellt: Staatsangehörigkeit seit mindestens 2 Jahren,
Bezahlung einer direkten Steuer und sechsmonatlicher Wohnsitz
im Orte der Listenaufstellung. Zwei Stimmen besitzt, wer als
Grundbesitzer mehr als 1250 M., als Beamter mehr als 1400 M.
oder überhaupt mehr als 1600 M. jährliches Einkommen ver-
steuert, ferner wer sonst Grundbesitz von einer gewissen Größe
nachweist oder ein Einjährigenzeugnis besitzt. Drei Stimmen
hat, wer 1600, bezw. 1900 und 2200 M. Einkommen versteuert
oder 4 Hektar besitzt. Und endlich vier Stimmen zählt, wer
mehr als 2200, 2500 bezw. 2800 M. Einkommen versteuert oder
einen entsprechenden Grundbesitz nachweist 16°,
Und tatsächlich beschäftigt sich heute der preußische Land-
tag mit einer Regierungsvorlage, die aber nicht den vermuteten
Fortschritt aufweist. Es soll nach derselben in Preußen auch
fernerhin unverändert an dem Dreiklassensystem festgehalten
werden. Die ganze Reform soll lediglich darin bestehen, daß
von den Steuerbeträgen nur 5000 Mk. als Höchstsatz in Betracht
kommen und der Kapazität in sehr beschränktem Maße die
nächsthöhere Zensusklasse eröffnet wird.
164 ROELL und ErstEin, Bismarks Staatsrecht Berl. 1903 S. 234.
166 Vgl. S. 288.