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Kapitel III.
Geschichte des Wahlzensus in Spanien, Portugal u. Italien.
S1. Spanien.
I. Periode des Staatsbürgerzensus.
1) Gestaltung des Wahlzensus unter dem Einflusse
der Naturrechtsidee 1812—-1817.
Spanien tritt mit dem Jahre 1812 in das moderne Verfas-
sungsleben ein, einem Jahre, wo es im Begriffe stand, sich seine
nationale Unabhängigkeit und seinem vertriebenen König den
Thron wieder zu erkämpfen. Kein Wunder also, wenn die Ver-
fassung vom 19. März 1812 von Vertretern des Volkes entwor-
fen, in der französischen Verfassung vom Jahre 1791 und ihren
naturrechtlichen Bestimmungen ihr Vorbild fand ?%,
Tatsächlich begegnen wir auch in dieser ersten spanischen
Konstitution gar keinem Aktivzensus. Für das passive Wahl-
recht dagegen hatte zwar schon der Konmissionsentwurf eine
feste Rente aus eigenen (ütern vorgesehen, schließlich kam man
aber doch zu Gunsten der einer größeren Einnahme entbehren-
den Geistlichkeit davon ab und machte die Wählbarkeit nur von
einer Rente, ohne jede feste Normierung derselben abhängig”.
Wie sehr diese Nachgiebigkeit der Kortes der Geistlichkeit
gegenüber gerechtfertigt war, zeigte sich erst, als die zerrütteten
Finanzverhältnisse eine Besteuerung des Klerus notwendig machten
(1817): Mit Hilfe der bigotten, absolutistisch gesinnten Masse
stürzte dieser die Kortes und verhalf dem Absolutismus zum
Siege, der über Spanien weiterbrütete, bis endlich der eindringende
Geist der französischen Julirevolution und die Abänderung des
2074 HAXTHAUSEN, Das konstitutionelle Prinzip I, 163.
206 BAUMGARTEN, Geschichte Spaniens, Lpz. 1865 I, 536; Verf. vom
19. März 1812, Art. 92.