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demzufolge wurde die ganze Bürgerschaft auf Grund ihrer Steuer-
zahlung bei Städten und größeren Landgemeinden in 3 gleich-
viel steuernde Wahlkörper geteilt, bei kleinen nur in 2, wovon
dann ?/s der Höchstbesteuerten zu den Landtagen wahlfähig und
wählbar waren. Da aber in den steuerkräftigen Städten auch
oft noch im letzten Drittel hohe Steuersätze bezahlt wurden, ließ
man auch Wähler dieser Klasse noch zu, sofern sie wenigstens
10 fl. Steuer zahlten (Wien und Brünn 20 fl.,-Gratz 15 fi.). Da-
neben war noch Beamten und Graduierten das Wahlrecht zensus-
los eingeräumt ?*8,
Das Wahlrecht zum Reichsrat übten sodann die Landtage
der einzelnen Kronländer aus.
Solange die Autonomisten am Ruder saßen, war begreif-
licherweise eine Wahlgesetzänderung bei dem großen Apparate,
der dabei in Bewegung hätte gesetzt werden müssen, sehr schwer
möglich. Dies mußte sich natürlich ändern, als im Jahre 1868
die Zentralisten und mit ihnen eine einheitliche Reichsratswahl-
gesetzgebung in den Vordergrund trat: Fortwährend hatten näm-
lich die Autonomisten durch Weahlenthaltung den Reichsrat be-
schlußunfähig zu machen versucht und, da man nun von den
Landtagswählern der einzelnen Kronländer selbst keine so sepa-
rative Politik zu fürchten brauchte, wurde am 25. Mai 1868
das Notwahlgesetz Giskra erlassen; jeder Landtagswähler hatte
sonach selbst den Reichsratsabgeordneten zu wählen“, Seit-
dem vollends dieses Gesetz mit der Reichsratswahlordnung vom
2. April 1873 in die Verfassung aufgenommen ist, ruht der Schwer-
punkt des Wahlrechts und somit auch der Geschichte des Wahl-
zensus auf der Reichsratswahlgesetzgebung ?°°.
243 Vgl. HUBER, Oesterreichische Reichsgeschichte, Wien 1895 S. 257;
GEORG MEYER 8. 277.
239 KOLMER, Parlament und Verfassung in Oestereich, Wien 1902—1905
l, 317.
:5> R. W. O. v. 2. Apr. 1873 8 9.