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aber ein solches bei der Zusammensetzung des Hauses nach In-
teressengruppen und der Hervorhebung der Nationalität praktisch
denken können?
Im Jahre 1874 glaubte Minister v. Plener zwar einen Aus-
weg gefunden zu haben, indem er die Gründung von Arbeiter-
kammern mit einem Wahlrecht zum Reichsrat vorschlug. Der
Antrag scheiterte jedoch an der Unzufriedenheit des großen Vol-
kes selbst?®*. So stand man nun wieder ratlos vor der Frage,
wie man der drängenden Masse ihre politischen Rechte einräu-
men könnte, bis endlich v. Schmerling in den Wahlreformdebat-
ten des Jahres 1882 den rechten Weg wies: „Haben sich unsere
gesellschaftlichen Verhältnisse derart gestaltet, daß neben den
früheren drei Gruppen eine vierte, ein vierter Stand hinzuge-
treten ist,...... dann muß eine vierte Interessengruppe in das
Wahlsystem eingeführt werden und dieser eine bestimmte Zahl
von Vertretern im Reichsrate eingeräumt werden... .*?°°. Trotz-
dem sollte es noch bis zu Anfang der neunziger Jahre dauern,
ehe man der Reformfrage ernstlich näher trat, und erst nachdem
die Ministerien Taafe und Windischgrätz ihr zum Opfer gefallen
waren??®, führte sie endlich am 7. Mai 1896 das Ministerium
Badeni im Sinne Schmerlings mit 234 gegen 19 Stimmen durch:
Der Zensus für die Gruppe der Großgrundbesitzer blieb
vollständig ungeändert bestehen.
Für Stadt und Landschaft wird der 5 fl.-Steuerzensus dem
Antrage Dipauli zufolge auf 4 fl. ermäßigt und außerdem noch
durch allgemeine, gleiche Wahlen, an denen auch Großgrund-
besitz, Stadt und Land teilnehmen, die Abordnung von 72 Kan-
didaten eingeräumt??”. Daß dieses Kompromiß von Interessen-
254 KOLMER II, 486.
255 KOLMER III, 150.
256 Vgl. „Geschichte der letzten Wahlreform* Oesterr. Staatswörterbuch,
Wien 1895 — II, 944 ff.
257 Vgl. BENOIST, op. eit. p. 371.