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die Volksvertretung hätte ihren einen Zweck verfehlt. So wurde
denn der naturgemäße Gedanke verwertet, die Vertreter durch
die Vertretenen, die Volksvertretung durch das Volk bestimmen
zu lassen. Dies ist die parlamentarische Wahl.
Wenn nach allem die Tätigkeit der Volksvertretung die
Mitwirkung des Volkes an der Staatsgewalt darstellt, so muß
doch dem ungeschulten Blick die Wahl als die Volksmitwirkung
erscheinen. Hiervon ist aber nur so viel wahr, daß die Beteili-
gung an der Wahl allerdings den einen Zweck der Beteiligung
an der Volksmitwirkung, nämlich die Erweckung des Sicherheits-
gefühles verwirklicht und allein in genügender Weise zu verwirk-
lichen imstande ist, weil in der Regel nur dann Jemand einem
Vertreter sein Vertrauen schenken wird, wenn er ihn selbst mit
bestimmt hat. Alles dies aber vorausgesetzt, so ist klar, daß
das, was vorhin von der Volksmitwirkung gesagt ist, auf die
Wahl zur Volksvertretung Anwendung finden muß, daß nämlich
der eine Zweck der Volksvertretung die Ausdehnung der Walıl-
befugnis auf Alle notwendig macht, der andere Zweck aber zur
möglichsten Beschränkung auf geeignete Volkskreise drängt. Die
beiden Zwecke der Volksvertretung streben sich entgegengesetzt
der eine nach Ausdehnung, der andere nach Beschränkung auch
der Wahlbefugnis.
Dabei ist Wahlbefugnis im weitesten Sinne gemeint, d. h.
sowohl als Recht zu wählen, wie als Recht gewählt zu werden.
Was die Beschränkung der Wahlbefugnis anlangt, so muß es
im Grunde auf eine Beschränkung auf seiten der Gewählten
ankommen, denn es kann für sich betrachtet gleichgültig sein,
wer wählt, wenn nur die geeigneten Personen gewählt werden.
Es ist deswegen zur Erreichung des Zweckes der Stärkung der
Staatsgewalt anfangs versucht worden, der Wählbarkeit hindernde
Schranken zu ziehen. Dies hat aber den nicht zu unterschätzen-
den Nachteil, daß die Erreichung des ersten Volksmitwirkungs-
zweckes — des Sicherheitsgefühles der Einzelnen — dadurch