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meinen Landrechts II, 9 nicht nachgewiesen sei und weil, selbst wenn man
dies unterstellen wolle, die rechtliche Vermutung des $ 19 durch näher
dargelegte Umstände widerlegt sei. Der Beschluß ist dem Angeklagten am
37. November 1908 mitgeteilt worden. Von der Anklage, in Berlin seit
27. November 1908 unbefugt das Adelsprädikat „von“ angenommen zu haben,
ist der Angeklagte durch das von der Revision der Königlichen Staatsan-
waltschaft angefochtene Urteil freigesprochen worden. Die Begründung
der Freisprechung führt aus: Der Beschluß des Heroldsamts sei für das
erkennende Gericht nicht bindend. Es stehe fest, daß der Angeklagte und
seine unmittelbaren Vorfahren sich die letzten 44 Jahre vor der polizei-
lichen Verwarnung, ja schon seit erheblich längerer Zeit, des Adelsprädikats
ruhig, d. h. ohne Widerspruchs des Staats, bedient haben, und zwar unter
Umständen, die diesem an sich die Möglichkeit eines Anerkenntnisses oder
der Versagung eines solchen boten. Folglich seinach 8 19 des Allgemeinen
Landrechts II, 9 zu vermuten, daß dem Angeklagten der Geschlechtsadel
wirklich zukomme. Der Gegenbeweis, daß er in Wahrheit nicht adlig sei,
habe nicht erbracht werden können.
Die Meinung des Angeklagten ist unrichtig, seine Freisprechung
durch das Urteil vom 24. September 1908 schließe die neue Strafverfolgung
aus; denn die abgeurteilte und die abzuurteilende Uebertretung sind mit
Rücksicht auf die Zeit der Begehung verschiedene strafbare Handlungen.
Der Erfolg der Revision hängt daher von der Entscheidung der Frage ab:
Ist im Gebiete des Preußischen Allgemeinen Landrechts das
Strafgericht, das über die Anklage aus $ 360 Nr. 8 des Straf-
gesetzbuchs wegen unbefugter Annahme von Prädikaten des
niederen Adels zu urteilen hat, an die Entscheidung des
Heroldsamts gebunden, daß dem Angeklagten das angenommene
preußische Adelsprädikat nicht zustehe ?
Diese in neuerer Zeit wiederholt eingehend erörterte Frage (Archiv
für öffentliches Recht 22, 1; 23, 1. 177; 24, 85) ist mit dem Oberlandes-
gericht Königsberg (Goltdammers Archiv 56, 249) zu bejahen, im Gegensatz
namentlich zu dem Urteil des 2. Strafsenats des Kammergerichts vom
19. November 1907, Jahrbuch 36 C 105.
I. Im Sinne des Allgemeinen Landrechts (vgl. 8$ 1, 80. II, 9) ist der
Adel auf Grund der geschichtlichen Entwicklung mit seinen staats-, kirchen-
und privatrechtlichen Vorrechten ein bevorzugter Stand, die Zugehörigkeit
zum Adel ein subjektives öffentliches Recht, ein öffentlich-rechtliches Standes-
recht, rechtliche Beziehungen des Adligen zum Staate erzeugend.
Alle Rechte und Pflichten des Staats gegen seine Bürger vereinigen
sich in seinem Öberhaupte. $ 1 II, 13. Dem Oberhaupte gebührt das
Hoheitsrecht, den Adel zu verleihen, zu erneuern und anzuerkennen. Vgl.
87,113, 89 ff, 896 ff. II,9. Der König ist in der Ausübung des Hoheits-
rechts frei, soweit er sich nicht selbst beschränkt hat. Er kann die Aus-