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Zweifel sein, daß dann auch die schon als Reichsangehörige in
die Schutzgebiete gekommenen Personen dieses Recht besitzen
würden. Allein Art. 3 RV. enthält kein „Wohnrecht“; er enthält
überhaupt keine positiven Bestimmungen über die Rechte der
Reichsangehörigen, sondern lediglich den negativen Satz „Kein
Deutscher darf in rechtlicher Beziehung ungünstigeren Regeln
im Einzelstaat unterworfen werden, als der eigene Angehörige
dieses Staates“*. Würde demnach vor dem Freizügigkeitsgesetz
in irgend einem Einzelstaat der Rechtssatz gegolten haben, dab
Ausweisungen von Inländern erlaubt seien, so hätte auch noch
unter der Verfassung des Norddeutschen Bundes ein Bundesan-
gehöriger aus dem betreffenden Staate ausgewiesen werden können.
Da somit Art. 3RV. kein „Wohnrecht“ für die Reichsangehörigen
enthält, fallen auch die oben gemachten Folgerungen zusammen.
Wenn nun auch für die Deutschen in den Schutzgebieten
ein ausdrücklich garantiertes Wohnrecht nicht festgestellt werden
kann, so bleibt noch zu prüfen, ob ein solches aus allgemeinen
Grundsätzen, z. B. aus dem Begriff der Staatsangehörigkeit, ab-
geleitet werden kann. So sagt z.B. LaABAnD® ganz allgemein,
eine Landesverweisung der Staatsangehörigen sei mit dem mo-
dernen Staatsbegriff ganz unvereinbar und SEYDEL® stellt gerade-
zu den Satz auf: „Das Wohnrecht liegt im Begriff der Staats-
angehörigkeit“. Auch eine Reihe anderer Schriftsteller sehen
in dem Wohnrecht den wesentlichen Inhalt des Indigenates'
* LABAND, D. StR. Bd. 18 20 S. 168; ScAHuLze, D. StR. Bd. II S. 25.
5 LABAND, D, StR. Bd. 18 16 8. 141.
6° SEYDEL, Bayr. StR. III $ 290 S. 20; vgl. hiermit Bd. 1$ 78 S. 293
und besonders Bd. I 8 78 S. 299—301, wo SEYDEL energisch die Ansicht
vertritt, daß Rechte begrifflich überhaupt nicht den Inhalt der Staatsange-
hörigkeit bilden und daher auch niemals aus ihr abgeleitet werden können.
?” v. MarTıTz, Annalen 1875 S. 798 und v. Bar, Theorie u. Praxis Bd. I
S. 181. Beide Autoren identifizieren die völkerrechtliche Pflicht des Hei-
matsstaates, seine Angehörigen in sein Gebiet aufzunehmen mit dem staats-
rechtlichen Verbot der Ausweisung.