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Ausgangspunkt der Erörterungen des Verf. bildet und ihn notwendig zu
dem Resultate führt, daß auch diese Verträge „einseitig reichsgesetzliche
Anordnungen sind“, ist unrichtig. Die „einseitige gesetzliche Disposition“
kann auch darin bestehen, daß der Gesetzgeber erklärt, er wolle sich der
Regelung eines bestimmten Verhältnisses enthalten und dieselbe der zwei-
seitigen Verständigung der Beteiligten überlassen. Es ist nicht ein-
zusehen, warum dem souveränen, formell unbeschränkten Willen des Ge-
setzgebers eine solche Bestimmung verwehrt sein soll. Die gesetzliche Er-
mächtigung der Gliedstaaten des Reichs oder der Selbstverwaltungs-
körper der Staaten gewisse Angelegenheiten vertragsmäßig zu ordnen, ist
eine einseitige Disposition des Gesetzes; aber die auf Grund derselben ge-
schlossenen Vereinbarungen sind nicht mehr Dispositionen des Gesetzgebers
sondern zweiseitige Rechtsgeschäfte der Kontrahenten.
Aehnlich verhält es sich mit einem anderen Axiom, von welchem der
Verf. ausgeht, nämlich daß „Verträge stets die Gleichstellung der Kon-
trahenten voraussetzen“. Richtig ist, daß Verträge nur geschlossen werden
können auf Grundlage oder innerhalb einer für beide Kontrahenten ver-
bindlichen Rechtsordnung; eine gegenseitige rechtliche Verpflichtung und
Berechtigung setzt eine Rechtsgemeinschaft voraus. Daraus folgt aber
keineswegs, daß der Staat nicht mit Untertanen und Gemeinden, das Reich
nicht mit seinen Gliedstaaten rechtsverbindliche Verträge schließen kann.
Der Untertan oder die Gemeinde kann sich freilich niemals auf das Niveau
des Staates, der dem Reich eingegliederte Staat niemals auf das des sou-
veränen Gemeinwesens erheben, wohl aber kann die höhere Macht auf
die Stufe der ihr untergeordneten herabsteigen und sich der für letztere
geltenden Rechtsordnung für bestimmte Verhältnisse unterwerfen. Die zahl-
losen täglich zwischen den Staaten und ihren Untertanen abgeschlossenen
Geschäfte vermögensrechtlichen Charakters genügen, um dies unwiderleg-
lich zu erweisen; denn der Fiskus ist doch nichts anderes als der Staat
selbst, kein vom Staat verschiedenes Rechtssubjekt, sondern eben der Staat
soweit er sich in der Sphäre des Privatrechts bewegt und die Privatrechts-
ordnung als für sich verbindlich anerkennt. Kann sich der Staat der Pri-
vatrechtsordnung unterwerfen und sich auf die gleiche Stufe mit Privat-
personen stellen, so kann es doch nicht für „begrifflich unmöglich“ erklärt
werden, daß der Staat auch auf dem Gebiet des öffentl. Rechts das Gleiche
tut und eine gemeinsame Rechtssphäre anerkennt, innerhalb deren er mit
Selbstverwaltungskörpern oder Einzelpersonen auf dem Fuße der Gleichbe-
rechtigung gewisse Verhältnisse ordnet. Es ist eine Ueberspannung, in
allen staatlichen Akten und Rechtsgeschäften immer nur Aeußerungen der
Staategewalt, der Herrschaft, zu erblicken; der Staat macht von
seiner Zwangsgewalt nur soweit Gebrauch, als es für die Erfüllung seiner
Aufgaben notwendig oder nützlich ist; er tritt nicht immer als der Herr,
sondern bisweilen auch als der Diener seiner Untertanen auf, wie z. B. in